Unterrichtshospitationen durch die Schulleitung

Quelle: Pixabay @wiredsmartio

Die Aufgabe der Hospitationen gehört zu meinen Lieblingsuafgaben. Da kann ich mir den Unterricht meiner Kolleg*innen anschauen und denen danach so richtig dick aufs Butterbrot schmieren, was sie alles falsch gemacht haben. Da reden Kinder dazwischen? Ganz schlechte Disziplin in der Klasse. Das Smartboard harkt? Das liegt ausschließlich an mangelnder Vorbereitung. Hach…ich liebe es, meine Macht derart zur Schau zu stellen und… ach kommt, wem mach ich hier was vor?

Zwar gehören Hospitationen wirklich zu meinen Lieblingsaufgaben, aber aus anderen Gründen:

* Ich kann in alle Klassen reinschnuppern und mir so einen Eindruck von allen Klassen „meiner Schule“ machen…

*… somit sehe ich auch alle Schüler*innen mal und sie mich

* Ich kann in Fächer reinschauen, die ich selbst nicht unterrichte und mit denen ich sonst kaum Berührungspunkte habe, wie z.B. Sport oder Theater

* Ich sehe Kolleg*innen und kann mir Inspirationen für meinen eigenen Unterricht mitnehmen

* Ich lerne neue Kolleg*innen besser kennen

* Ich sehe, wo Schulrituale und -routinen angewandt werden und wo nicht (z.B. akustische Signale, Kontrolle der Hausschuhe uvm.) und kann auch evaluieren, welche davon noch aktuell und welche veraltet sind

Durch die Schulleitung hospitiert zu werden, löst bei manchen Mitarbeitenden Stress aus. Daher lege ich einen großen Wert auf wertschätzendes Verhalten meinerseits. Da ich mich schon selbst einlade (ich suche mir bei jeder Lehrkraft das Datum, das Fach und die Klasse aus, die ich sehen möchte), möchte ich mich in der Klasse wie ein Gast verhalten und nicht zusätzlichen Stress auslösen, zumal ich nicht jede Hospitation ankündige.

Warum eigentlich nicht, wenn ich meinen Kolleg*innen doch keinen Stress zumuten möchte?

Weil es Lehrer*innen sind. D.h., sie alle haben in ihrer Examensprüfung schon bewiesen, dass sie Unterrichtsstunden (mehr oder weniger perfekt) durchplanen, differenzieren und durchführen können. Was ich sehen möchte sind Routinen, die Lehrer-Schüler-Beziehung und Alltagsunterricht, in dem die Schüler*innen etwas lernen. Und ein weiterer Punkt: Indem ich die Besuche nicht ankündige bleibe ich flexibel. Ich habe in meinem Kalender zwar alle Besuche stehen, aber wenn etwas dazwischenkommt (Krankehitsausfall, ein Elterngespräch o.ä.), habe ich die Möglichkeit, ohne zusätzlichen Stress für alle, die Besuche einfach zu tauschen.

Nach welchem Leitfaden gehe ich vor?

Früher habe ich mich an den Zehn Merkmalen guten Unterrichts von Hiblert Meyer orientiert. Dann kam das 4K-Modell hinzu. Inzwischen notiere ich alles was mir auffällt chronologisch. Dafür versehe ich meine Notizen mit folgenden Symbolen:

+ das fällt positiv auf

? Hier habe ich eine Frage. Z.B.: „Warum hast du das so und so gemacht?“, „Ist XY schon auf LRS getestet?“, „Ist Zuspätkommen ein generelles Problem nach der Pause oder war das heut Zufall?“, „Welches Ziel wolltest du erreichen?“

T Für Tipps: „Ich würde mal … ausprobieren…“

! Bitte teile das bei der nächsten Teamsitzung mit dem Kollegium / dem Jahrgangsteam / der Fachschaft

Durch dieses Vorgehen sammeln sich zum einen sehr viele positive Aspekte an, was dann das Feedbackgespräch entspannt und somit auch alle folgenden Hospitationen entspannt. Zum anderen wird negatives Feedback direkt positiv als Tipp formuliert.

Mir ist immer wichtig, dass die Kolleg*innen etwas aus dem Gespräch mitnehmen und ich denke, die meisten tun das auch. Eine recht frische Kollegin hat mir neulich z.B. mitgeteilt, dass sie an anderen Schulen schon häufiger hospitiert wurde, es aber nie ein Feedbackgespräch gab und sie sehr dankbar ist (okay, was sollen sie auch sonst sagen?). Die selbe Kollegin habe ich drei Tage später dabei „erwischt“, wie sie einen Tipp umgesetzt hat. Das freut mich natürlich sehr.

Ich selbst wünsche mir eine Hospitationskultur, in der gegenseitige kollegiale Hospitationen Alltag sind. Ein Alltag, in dem Frau Müller Frau Meier besucht, um mal zu sehen, wie sie eigentlich mit Tim umgeht. Ich wünsche mir eine Schule, in der Lerntherapeutinnen kommen können, ohne, dass der Lehrer*innenpuls in die Höhe schießt. Ich wünsche mir ein Selbstverständnis, in dem wir Lehrer*innen und Schulleiter*innen nicht unfehlbar sind und allen klar ist, dass man bei jeder Hospitation Methoden beobachtet, die man für den eigenen Unterricht übernehmen möchte und auch welche, die man für sich ablehnt, ohne, dass sie deshalb falsch sind. Ich bin für ein Selbstverständnis, in dem wir uns eingestehen, nie „fertig“ zu sein und immer etwas verbessern zu können. Und wenn wir das annehmen, sind solche Unterrichtsbesuche doch gar nicht mehr so schlimm…oder?

Carearbeit+Erwerbsarbeit= ?

…und ob ich meinem Kind so gerecht werden kann…

Quelle Pexels: Sora Shimazaki

Seit März bin ich Mama und seit Mai arbeite ich wieder in Teilzeit. Das habe ich mir zu Beginn der Schwangerschaft so überlegt aus vielerlei Gründen:

  • Ich LIEBE meinen Job, die Arbeit mit Kindern. Er erfüllt mich und macht einen großen Teil meiner Identität aus.
  • Ich fühle mich der Schule gegenüber verpflichtet: Das Leben der Kolleg:innen, Eltern und vor allem das der Kinder geht weiter
  • Es gibt niemanden, der meine Aufgaben zu 100% übernehmen kann. Klar, irgendwie ist jeder ersetz- und austauschbar. Aber ich war noch nicht bereit mich ersetzen oder austauschen zu lassen…
  • Nur zu Hause hocken- den Wunsch danach kannte ich nicht, bevor ich ein Kind hatte
  • Mein Einkommen trägt nicht unwesentlich zum Haushaltseinkommen bei. Nur mit Elterngeld wäre das ein massiver Gehaltseinbruch…
  • Ich habe mir geschworen niemals, niemals finanziell von einem Mann abhängig zu sein.

Nun sind die Sommerferien fast vorbei, mein Baby schon lange kein Neugeborenes mehr und die Arbeit geht bald wieder los (wobei ich natürlich auch in den Sommerferien gearbeitet habe). Ich weiß, dass ich mit den Stunden, die ich bezahlt bekomme, nicht hinkommen werde – das war in den letzten Monaten so und das wird sich wohl, bis auf einzelne Wochen, auch so weiterziehen (ich wollte diese Stundenzahl und mein Chef würde sie bestimmt sofort erhöhen, nur hat das dann wieder Auswirkungen aufs Elterngeld…wenn sich da jemand auskennt, gern!). Denn -Spoiler!!!- um eine Schule zu leiten und ein Team zu führen, reichen 10 Stunden einfach nicht aus…

Ich bin also außerhalb der Ferien rund um die Uhr erreichbar. Für Kolleg:innen und mein Baby. Das ist nicht ohne…und vielleicht, ganz vielleicht, habe ich das ein wenig unterschätzt.

Beides macht mir nach wie vor Freude, aber im Moment nehme ich sowohl mein Baby, als auch die Arbeit mit ins Bett. Versteht ihr das Problem?

Der Mental Load in der Carearbeit

Zurecht machen Mütter immer wieder darauf aufmerksam, dass es ja gar nicht unbedingt die Zeit mit ihren Kindern ist, die sie fordert, sondern das Drumherum. Der Kopf ist voll mit Dingen, über die sich -nicht ausschließlich, aber noch nach wie vor häufiger- die Mamas Gedanken machen. Hier einmal ein paar Dinge, die mich als Mama gerade akut beschäftigen:

  1. Wie/Wann starten wir mit Beikost?
  2. Neurodermitis: War es schlau, ihn im Schwimmkurs anzumelden?
  3. Wie organisieren wir das Schwimmen? Ich hab da immer ein Online-Meeting.
  4. Babyturnen am Dienstag? Oder wird das zu viel.
  5. Ob er auch Lebensmittelallergien hat?
  6. Heute hatte er nur zwei Tagschläfchen. 50/50 dass der Schlaf um 19:00Uhr ein Nickerchen oder der Nachtschlaf wird.
  7. Das Haus müsste wieder dringend mal gesaugt und gewischt werden.
  8. Was gibt es Montag, Dienstag und Mittwoch zum Abendessen?
  9. Morgen regnets, dann komme ich mit der Wäsche wieder kaum hinterher.
  10. Wann hat er zuletzt gebadet?
  11. Haben wir noch Windeln?

…das sind alles Dinge, die mir innerhalb von zwei Minuten einfallen.

Neulich habe ich irgendwo gelesen, dass Müttern häufig gesagt wird: “Sag doch, wenn du Hilfe brauchst!” oder “Sag mir, was ich machen soll!”. Aber auch die Papas sehen ja den vollen Müll, den Wäscheberg, sind in der Lage, Hobbys für´s Baby zu suchen, passende Kleidung zu kaufen, Windeln zu besorgen und so weiter.

(Ich möchte mich an dieser Stelle nicht beschweren, denn ich kann jeden Morgen duschen, mein Partner ist nachmittags zu Hause und häufig unter der Woche auch mal einen ganzen Tag, er macht das Baby bettfertig, damit ich in Ruhe ins Bad kann, schaukelt es in den Schlaf usw….das Glück haben viele Mamas nicht. Der Mental Load liegt trotzdem bei mir.)

Dazu ergänzt sich meine mentale To-Do-Liste noch durch die Anforderungen der Arbeit. Hier kann mir mein Mann nichts abnehmen…

  1. Wie/Wann bereite ich die Präsenzwochensitzungen vor?
  2. Wie funktioniert das wohl, wenn der Kleine erst krabbelt?
  3. Kann ich zum Schwimmen und das Meeting ausm Auto machen? Nein, denn dann werd ich beidem nicht gerecht. Aber was dann…???
  4. Wohin leg ich mir Bewerbungsgespräche? Wann schläft der Kleine am wahrscheinlichsten? Morgens um 08:00Uhr, mittags um 11:00Uhr?
  5. Vielleicht wirds ja einfacher, wenn er auch isst (aber deshalb fang ich trotzdem nicht jetzt schon an…)
  6. Ich könnte heute die Präsenzwoche vorbereiten, aber die Zeit wo er schläft, ist die einzige, die ich für mich habe…
  7. Am Tag der Einschulung liegt der Impftermin…an dem hängt auch der zweite Impftermin. Zur Einschulung muss ich, zur Impfung muss ich auch…Mist.
  8. Von zu Hause kann ich gar nicht auf alle Dokumente der Schule zugreifen…ich darf nicht vergessen, am Montag direkt im Schulbüro danach zu fragen…
  9. In nächster Zeit fahr ich gaz schön oft in die Schule…neue Kolleg:innen, neue Klassen…das wird für den Kleinen (und auch für mich) ganz schön anstrengend…
  10. Ich habe nur dieses eine erste Jahr mit ihm!!!

Und dabei immer im Hinterkopf zu haben: Ich muss die Arbeit irgendwie um ihn herumplanen und nicht die Arbeit um ihn. Schwierig, wenn Schule nunmal überwiegend vormittags stattfindet.

Würde ich die Entscheidung wieder so treffen?

Wahrscheinlich schon. Denn es bleibt dabei: Ich liebe meine Arbeit und sie erfüllt mich. Mama sein erfüllt mich auch. Ich versuche das, anhand eines Bildnisses zu verdeutlichen:

Stellt euch vor, für jedes Bedürfnis habt ihr ein leeres Glas in euch. Am einfachsten versteht man das am Beispiel des Bedürnisses nach Nahrung. Habt ihr Hunger, ist das Glas leer. Ist das Bedürfnis erfüllt, ihr seid also satt, ist das Glas voll. So kann man sich das mit allen Bedürfnissen vorstellen.

Viele meiner Bedürfnisse werden durch beides, also das Mamasein und arbeiten, genährt: Bereichernd beitragen, Gemeinschaft, Kommunikation, Selbstverwirklichung, Lernen, Verantwortung und weitere…nur werden diese Bedürfnisse eben dadurch so sehr erfüllt, dass die Bedürfnistöpfe überlaufen. Doppelt so viel Verantwortung bedeutet ein doppelt so volles Glas. Und das macht müde, denn ich möchte nicht, dass das Glas überschwappt, weil Mama sonst überschnappt (Ha…bin ich wahrscheinlich schon!)

Kann ich denn dann den Bedürfnissen meines Kindes gerecht werden?

Die Schulen und die Gesellschaft im Allgemeinen benötigen aus meiner Perspektive Kinder, die die Fähigkeit besitzen, sich anzupassen (aber nicht zu sehr), kritisch zu hinterfragen, kreativ zu sein, wissbegierig und neugierig zu sein (aber nicht zu sehr *augenrollen*). Dafür müssen wiederrum bei ihnen bestimmte, eigentlich alle, Bedürfnisse erfüllt sein.

Physiologische Bedürfnisse, wie z.B. nach Nahrung, einem sauberen Popo usw. erfülle ich durch Stillen und Still- und Wickelpausen auch während der Arbeit. Das Bedürfnis nach Sicherheit und Schutz erfülle ich, indem ich ihn auch während meiner Arbeitszeit bei mir habe, er nicht allein schläft oder aufwacht. Das Bedürfnis nach sozialer Bindung wird ebenfalls so erfüllt. Ich möchte sogar behaupten, dass er eine stärkere Bindung erfährt als so mancher, deren Mutter nicht arbeitet, da das auch eine Frage der Einstellung ist. Um hier nicht jedes einzelne Bedürfnis einzeln zu durchleuchten: Ja, ich gehe auf jedes seiner Bedürfnisse ein. Und der Papa hilft mit. Was ich gemerkt habe ist: Mein Kind geht vor. Daher kommt, wenn dann, die Arbeit als Schulleiterin zu kurz. Wenn, dann bleibt mal eine Mail einen Tag unbeantwortet. Dann bleibt das eine Telefonat ungeführt und dann muss die eine oder andere Aufgabe mehr delegiert werden.

Wenn ich nämlich meinem Sohn irgendwann nicht mehr gerecht werden kann, weil ich mehr leere als volle Töpfe habe, weil die Arbeit mehr fordert, als ich geben kann, dann muss ich reflektieren und überlegen, ob es für mich beruflich einen anderen Weg gibt. Aber solange ich erfüllt und glücklich bin, bin ich zuversichtlich, dass mein Sohn die bestmögliche Mama hat, die er haben kann. Denn eine zufriedene Mama ist eine gute Mama.

Ob meine Entscheidung, so früh wieder zu arbeiten, die richtige Entscheidung war, wird sich zeigen. Rückblickend werde ich es sicher irgendwann bereuen. Für mich persönlich, weil mir dadurch ungeteilte Zeit mit dem Kleinen entgangen sein wird. Vielleicht werd ich es auch bereuen, weil es an ihm doch nicht so spurlos vorbeigegangen sein wird, wie ich es mir gerade ausmale. Vielleicht wenn er in die KiTa eingewöhnt wird. Vielleicht, wenn er selbst zur Schule geht. Vielleicht in seiner Jugend. Vielleicht, wenn es darum geht, den angebotenen Joint abzulehnen oder die Schule nicht zu schwänzen…oder die Schule zu schwänzen und mir danach davon zu erzählen, weil er mir vertraut. Es wird sich zeigen, wenn er seine erste Beziehung beendet und darin, wie respektvoll er es tut. Vielleicht zeigt es sich, wenn es darum geht, ob er sich einen Nebenjob sucht. Vielleicht zeigt es sich, wenn er in 30 Jahren zwei Jahre Elternzeit nimmt und während dieser Zeit nicht arbeitet, weil er es besser machen will als ich.

Doktorspiele in der Vor- und Grundschule

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Es kann vorkommen, dass Lehrer:innen von ihren Schüler:innen oder Eltern informiert werden, dass auf dem Schulhof etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Dass zum Beispiel ein Junge seine eigene Hose herunterzieht und den anderen Kindern seinen Penis zeigt oder, dass ein Mädchen ihre Vulva zeigt und sie diese gegenseitig anschauen. Manchmal küssen sich junge Kinder auch oder spielen sexuelle Handlungen nach, wobei es dabei nicht um die sexuelle Befriedigung geht.*** Auch äußert sich darin keinesfalls der Wunsch nach tatsächlichem Geschlechtsverkehr. Häufig findet das in Spielform statt, z.B. beim Arzt- oder Mutter-Vater-Kind-spielen, es ist also nur eines von vielen Rollenspielen. Das bekommen Lehrer:innen selten direkt mit, manchmal aber andere Kinder, die das dann zu Hause erzählen. Das führt zu Verunsicherung bei den Eltern. Aber, was ist eigentlich in welchem Altern normal und ab wann werden Doktorspiele besorgniserregend?

Dass Kinder ihren eigenen Körper erkunden, lange, bevor sie in die Pubertät kommen, ist normal. Kinder merken mitunter sehr früh, dass das Berühren bestimmter Körperstellen sich schön anfühlt. Auch den Unterschied zwischen “Junge” und “Mädchen” lernen sie meist im Kindergartenalter und auch, dass Jungen (in der Regel) einen Penis haben und Mädchen eine Vulva. Diesen Unterschied kennen sie auch von zu Hause von Mama und Papa oder ihren Geschwistern. Für Kinder sind diese Körperteile häufig ersteinmal gar nicht so schambehaftet, wie für Jugendliche und Erwachsene. Auch, weil Nacktheit im Kindesalter noch natürlicher ist. Die Erkundung des eigenen und fremder Körper geschieht, um die eigene Neugier zu befriedigen. Für die Kinder macht es ersteinmal häufig keinen Unterschied, ob sie ihre Hände oder ihre Popos vergleichen. Vielmahr macht der Vergleich der Pos mehr Spaß, weil man die normalerweise nicht zeigt oder sieht.

Doktorspiele zwischen gleichaltrigen (!!!!!!) Kindern sind normal und gehören zur normalen Entwicklung dazu. Das Imitieren von Erwachsenen ist ein natürliches Handlungsmuster. Nur wenige Eltern würden sagen, dass sie kein Vorbild für ihr Kind sein wollen. Gemüseessen, freundlicher Umgangston, aufräumen…in all diesen Bereich möchten Eltern von ihren Kindern nachgeahmt werden. Nur hört es hier für viele Kinder nicht auf. Händchen halten, Knutschen oder heiraten gehören für viele Kinder zum Spielen dazu. Aber es kann eben auch zu Handlungen kommen, die Erwachsene als sexuell (oder: noch sexueller als Küssen) einstufen, nämlich dem Nachahmen von Geschlechtverkehr (dazu später noch etwas mehr) und dem Einführen von Gegenständen in Vagina oder After.* Dies ist, auch wenn es nur der Entdeckung gilt, gefährlicher, weil es zu Verletzungen kommen kann.

Aus psychologischer und pädagogischer Sicht sind Doktorspiele dann unbedenklich, wenn

  • alle spielenden Personen freiwillig mitmachen und kein Zang herrscht (“Wenn du das nicht machst, bist du nicht mehr mein Freund” o.ä. ist nicht okay)
  • die Kinder zwischen drei und maximal sieben Jahre alt sind
  • alle Kinder den gleichen Entwicklungsstand haben, bzw. einen Altersunterschied von maximal 2 Jahren aufweisen
  • die Doktorspiele eher unter Freunden / MItschüler:innen als unter Geschwistern stattfinden
  • keinem wehgetan wird und auf die STOPP-Regel gehört wird
  • nichts, keine Finger oder Gegenstände, in Körperöffnungen eingeführt wird
  • z.B. Geschlechtsverkehr nachgespielt wird (die tatsächliche Ausübung hingegen nicht!)

Eltern sind häufig aus Sorge um ihr eigenes Kind verunsichert. Möglicherweise haben Sie Angst, dass ihr Kind zu früh ein zu stark ausgeprägtes Interesse an Sex entwickelt. Dabei ist es wichtig, dass Kindern die Regeln für Doktorspiele mitgeteilt werden, damit diese eben nicht zu sexuellen Übergriffen werden. Gleichzeitig sollte auch nicht zu schnell eingegriffen werden. Denn: Greifen Eltern und/oder Pädagog:innen zu früh ein, z.B. zu einem Zeitpunkt wo es für die Kinder wirklich um gleichberechtigtes Spielen und Erkunden geht, kann es sein, dass sich die Spiele auf abgelegtere Orte und Verstecke verlagern und die Kinder dann auch mit Grenzüberschreitungen nicht mehr auf Erwachsene zukommen, weil sie ja “wissen”, dass sie etwas Verbotenes getan haben.**

Nicht selten vermuten Eltern beim anderen Kind (weil das eigene wie sie wissen damit ja keine Berührungspunkte hat), eine zu große Ausgesetztheit gegenüber sexuellen Inhalten, z.B. dass das Kind pornografischem Material oder sexuellen Handlungen der Eltern ausgesetzt ist bzw. Zugang zu diesen hat. Das ist in den seltensten Fällen der Fall. Gleichsam ist es empfehlenswert, dass, bevor Doktospiele in der Lerngruppe und Elternschaft als Thema aufkommen, mit der Klasse Regeln für das gemeinsame Spielen festzulegen und Kinder sexuell altersgemäß aufzuklären. Dies wirkt für eigene Eltern zu früh, weil die Intention vieler Eltern ist, Kinder möglichst lange vor diesen “Erwachsenenthemen” zu schützen. Dabei ist die Bezeichnung der Geschlechtsteile und das Setzen von Grenzen für die Kinder wichtig. Gleichzeitig nimmt es den Kindern die Neugier, wenn Po, Penis und Vulva als solche nicht tabuisiert werden. Außerdem sind Kinder dann auch eher in der Lage, Übergriffe zu erkennen und, was auch wichtig ist, diese zu beschreiben.

Auf auf der Vereinsseite von ZARTBITTER e.V gibt es eine Checkliste, auf der Pädagog:innen (und natürlich auch Eltern) überprüfen können, inwiefern weitere Maßnahmen getroffen werden sollten.

Quellen:

* ZARTBITTER e.V. http://www.zartbitter.de

** Apotheken-Umschau, Dipl.-Pädagogin und Sexualwissenschaftlerin Claudia Schmitt http://www.apotheken-umschau.de

*** Bettina Schuhrke, Professorin für Entwicklungspsychologie http://www.spiegel.de

http://www.t-online.de

Was die KMK sagt… und was ich denke

Wer hat es nicht mitbekommen? Der KMK (Kultusministerkonferenz) und der SWK (Ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz) sind aufgefallen, dass in Deutschland Lehrermangel herrscht. Für alle Lehrer:innen, Schüler:innen und auch Eltern ist diese Erkenntnis wenig überraschend – auch ich habe schon im Referendariat vor 10 Jahren gewusst, dass viele alte Lehrer:innen in den nächsten Jahren in Pension gehen. Während hier die Rufe schon lange laut werden, den Lehrer:innenjob attraktiver zu gestalten, mehr Studien- und Referendariatsplätze zur Verfügung zu stellen oder das Referendariat zugunsten eines dualen Studiensystems ganz abzuschaffen um Nachwuchs zu generieren und die ausgebildeten, arbeitenden Lehrkräfte zu entlasten, wurden nun von Seiten der KMK und SWK andere Ideen veröffentlicht, die bei Lehrer:innen für Kopfschütteln sorgen.

Symbolbild von Pexels

Ich habe mir jetzt ein Wochenende Zeit genommen um zu überlegen, ob ich etwas dazu schreiben möchte. Da ich nach wie vor als Schulleiterin an einer privaten Grundschule, an einer relativ kleinen noch dazu, angestellt bin, berühren mich manche Vorschläge nicht so sehr, wie die Kolleg:innen an staatlichen Schulen und besonders den weiterführenden Schülen. Aber auch mir ist wichtig, wie der Beruf und seine Anforderungen in der Öffentlichkeit dasteht. Denn auch ich möchte gern motivierte, engagierte und qualifiziertes Personal bei mir haben. Daher habe auch ich eine Meinung zu den Vorschlägen und möchte sie hiermit dteilen. Ich möchte betonen, dass meine Gedanken keineswegs abschließend sind, aber als Gedankenanstoß dienen können und immer vor dem Hintergrund meiner Erfahrungen zu lesen sind.

1. Vorschlag: Die Ausweitung von Hybridunterricht und Selbstlernzeiten in höheren Klassenstufen*

Zunächst einmal bezieht sich “höhere Klassenstufen” wohl auf die Oberstufe, also genau jene Schüler:innen, die sich gerade auf das Abitur vorbeiten. Da die KMK aber immer wieder feststellt und anprangert, dass vielen Schüler:innen wesentliche Kompetenzen in den Bereichen Deutsch und Mathematik fehlen, wirkt mir das selbstständige Lernen hier doch Fehl am Platz. Ich bin da nicht grundsätzlich gegen, denn an meiner Schule gehören Lernzeiten zum selbstständigen Lernen, Vertiefen und Üben ab der ersten Klasse zum Schulalltag. Und genau das ist der Punkt: ab der ersten Klasse. Fachunterricht dafür wegfallen zu lassen, kann gar nicht aufgehen und selbstständiges Lernen muss geübt werden und auch diese Lernzeiten müssen in irgendeiner Form betreut oder beaufsichtigt werden (wir wissen ja, dass es auch Erzieher und Sozialpädagogen nicht wie Sand am Meer gibt). Ja, das spart der beaufsichtigenden Lehrkraft etwas Vorbereitungszeit, aber eine Lehrperson kann, besonders in höheren Klassen gar nicht in allen Fächern Ansprechpartner sein und Hilfestellungen geben. Das gilt auch für Erzieher und andere Pädagogen (die es ja auch nicht wie Sand am Meer gibt).

Der Hybridunterricht hat an wenigen Schulen wirklich gut funktioniert. Präsenz- und Hybridunterricht ist für Lehrkräfte IMMER eine Doppelbelastung (auch an Schulen, die hier technisch, methodisch und personell gut aufgestellt sind). Gleichzeitig schreit das schon nach sozialer Diskriminierung, denn sie setzen Endgeräte voraus, die zumindest einigermaßen einheitlich funktionieren. Dies wiederrum verursacht entweder Kosten für die Familien, sodass wiederum Kinder aus sozial schwachen Elternhäusern weniger höhere Schulabschlüsse erreichen werden. Anders sähe es natürlich aus, wenn diese Geräte von den Schulen gestellt werden würden. Allerdings weiß ich auch, dass vielen Schulen es nicht gelungen ist, das Geld aus dem Digitalpakt zügig abzurufen und, dass es bei staatlichen Schulen immer bürokratische Hürden gibt, den Schulen also teilweise nicht obliegt zu entscheiden, welche Engeräte für welchen Preis bei welchem Anbieter zu bestellen sind. Gleichzeitig sind wiederum für Kinder aus sozialschwächeren Familien diejenigen, die meiner Meinung nach vom sozialen Gefüge einer Schule am meisten profitieren, auch noch in der Oberstufe.

Vorschlag 2: Ein flexibler Umgang mit Klassengrößen

Bereits jetzt sitzen in einigen Schulklassen 27 bis 32 Schülerinnen und Schüler. Wer mehr als ein Kind zu Hause hat, weiß, wie schwer es schon bei zweien ist, allen Bedürfnissen und Fragen gerecht zu werden. Größere Klassenstufen sparen ganz eindeutig viel Geld und große Klassengrößen bedeuten nicht zwangsläufig schlechtere Lernvoraussetzungen, vorausgesetzt die Ausstattung und der Betreuungsschlüssel sind angemessen. Mit gutem Classroom-Management kann das durchaus funktionieren. Ich habe bereits zwei sehr große Grundschulklassen gehabt und begleitet: 2018 habe ich 28 Viertklässler:innen in die weiterführende Schule entlassen, 2022 waren es 27. Ab einer Klassenstärke von 24 Schüler:innen stand mir aber in fast allen Unterrichtsfächern eine Doppelbesetzung zur Seite und der Klassenraum umfasste 140 Quadratmeter. Das sind deutlich andere Voraussetzungen, als 32 Schüler:innen in einer Klasse zu haben, diese allein beaufsichtigen und unterrichten zu müssen. In den meisten Räumen ist dann kein Raum mehr für kooperative Lernformen.

Es geht aber nicht nur um den tatsächlichen Output, sondern auch darum, wie viel Energie die Lehrkräfte in solche großen Klassen stecken – im Unterricht aber auch außerhalb. Denn es bedeutet mehr 1-zu-1-Gespräche im Unterricht (dafür kürzere), mehr Reaktionen auf Störungen (selbst wenn 35 Schüler:innen leise arbeiten, wird es nie wirklich ruhig sein – wer von uns möchte in einem Großraumbüro mit 34 Kolleg:innen arbeiten????), mehr Korrekturen, mehr Lernentwicklungsgespräche, mehr Zeugnisse, mehr Elterntelefonate, mehr Förderlpläne und -anträge usw.

3. Vorschlag: Teilzeit begrenzen

Ja, grundsätzlich tut es einer Schule gut, wenn möglichst viele Kolleg:innen in Vollzeit arbeiten. Aber es gibt immer Lebensumstände, die etwas anderes erfordern: Kleine Kinder, kranke Eltern/Partner, Überarbeitung, ein langer Arbeitsweg oder auch einfach der Wunsch nach mehr Freizeit. Dazu kommt, dass dieser Job besonders in den ersten Jahren überwältigend sein kann und unerfahrenene Kolleg:innen mehr Zeit zur Unterrichtsplanung benötigen als alte Hasen (schlimm genug übrigens, dass viele Lehrkräfte an staatlichen Schulen ihren freien, unbezahlten Ta für ebendiese Vorbereitung nutzen). Wenn nun die Klassengröße steigt, Lehrkräfte gleichzeitig gezwungen sind in diesen dann volleren Klassen mehr Stunden zu verbringen, beißt sich die Katze selbst in den Schwanz und die häufigeren Krankschreibungen sind vorprogrammiert.

Dagegen finde ich den Vorschlag, die sogenannten Sabatticals einzuschränken, sinnvoll. Auch wenn hier für verbeamtete Lehrkräfte natürlich eine tolle Chance liegt, sich für ein halbes Jahr bis Jahr eine Auszeit zu gönnen, ist das, wenn die anderen Voraussetzungen im Job stimmen ein Luxus, auf den meiner Meinung nach verzichtet werden kann, bzw. wo dann von Fall zu Fall geschaut wird, ob das zu dem gewünschten Zeitraum für die Schule gerade leistbar ist.

4. Vorschlag: Lehrkräfte aus dem Ruhestand einsetzen

Kann ein guter Ansatz sein. Es gibt viele Lehrer:innen, die gern weiter arbeiten würden. Aber es gibt auch viele, die früher in Pension gehen, als angedacht. Das liegt daran, dass die Jahre davor an den Kräften gezerrt haben. Je älter man wird, desto weniger belastbar ist man in der Regel, was z.B. die Lautstärke angeht, aber auch die körperlichen Fähigkeiten, z.B. Aufsichten zu übernehmen. Wer hatte nicht diesen einen Lehrer in der eigenen Schulzeit, der einem 2001 ein Arbeitsblatt von 1985 zum Bearbeiten gegeben hat? Mittlerweile weiß ich, dass Lehrkräfte einfach müde werden, vom immer gleichen Drama, den größeren Klassen, dem schlechteren Sozialverhalten, den Ansprüchen oder der Abwesenheit der Eltern, den Entscheidungen der Schulbehörde über die Köpfe der Lehrkörper hinweg. Hinzu kommt, dass Lehrer:innen im Ruhestand durchaus ihre Probleme mit der fortschreitenden Digitalisierung haben könnten. Und das ist nicht böse gemeint…selbst ich, als Millenial, muss mir Vieles wirklich kleinschrittig erschließen und z.B. immer wieder googlen, wie ich beim Windows-PC einen Screenshot erstelle. Wenn das Ziel der KMK ist, die Unterrichtsqualität zu verbessern, kann das mit Ruheständlern natürlich bis zu einem gewissen Grad funktionieren, aber so viele (auch digital-)kompetente Ruheständler zur Rückkehr zu bewegen, wie Lehrerstellen tatsächlich offen sind, wird nicht gelingen.

5. Vorschlag: Lehrkräfte entlasten durch Studierende und nicht (vollständig) qualifiziertes Personal

An vielen Stunden sind Lehrkräfte mit zusätzlichen Aufgaben betraut. Das ist okay, ja sogar wichtig und notwendig (Fachschaftsleitungen, Organisation pädagogischer Projekte und Schulfeste etc.). Allerdings muss es für diese Aufgaben einen angemessenen Ausgleich geben. Gleichzeitig gibt es viele Aufgaben, die nicht mit dem Untericht zusammenhängen, aber dennoch von Lehrern betreut werden. Prominent sind hier die Betreuung der IT durch -im besten Fall- Informatiklehrer:innen oder die Betreuung von Fachräumen. Wie die KMK allerdings auch einräumt, gibt es auch in anderen Bereichen der Wirtschaft Fachkräftemangel. Wer also soll diese Aufgaben übernehmen, wenn nicht die Lehrer? Eben…

Ein weiterer Vorschlag zur Entlastung der Lehrkräfte ist der, die Korrektur von Klausuren und weitere nichtunterrichtliche pädagogische Aufgaben an z.B. Studierende zu übergeben. Den Gedanken find ich im Prinzip nicht schlecht. Besonders gut funktionieren kann das dann, wenn der oder die Studierende regelmäßig im Unterricht der Lehrkraft oder Klasse teilnimmt, z.B. im Rahmen des Studiums hospitiert und unterstützt. Eine Klausur blind zu korrigieren, ohne den einzelnen Schüler zu kennen, ohne einzuschätzen, wie lange und intensiv ein Thema im Unterricht behandelt wurde usw. halte ich für fahrlässig, obwohl ich weiß, dass das z.B. an der Uni Gang und Gäbe ist. Gleichzeitig muss die/der Studierende angeleitet werden, die Korrektur ggf. durch den Lehrer (ach, macht er das jetzt doch selbst???) überprüft werden und ich vermute hier auch eine hohe Fluktuation und somit immer wieder die Notwendigkeit, neu anzuleiten. Am Ende bleibt wohl die Lehrkraft der Hauptverantwortliche, der vor Eltern und den SchülerInnen Rechenschaft ablegen muss.

Eine Idee, die ich grundsätzlich auch gut finde, ist, Lehrkräfte einzustellen, die ihren Abschluss im Ausland erworben haben, bzw. die Hürden dafür herabzusetzen. Dabei ist zu bedenken, dass in vielen Ländern, auch innerhalb der EU, ein Bachelorabschluss bereits berufsqualifizierend ist, während in Deutschland ein 2. Staatsexamen nötig ist. Grundsätzlich sagt, so ist meine Meinung, der Abschluss nur bedingt etwas über die Kompetenzen als Lehrkraft aus, besonders, wenn eine gewisse Anzahl an Berufserfahrungsjahren vorliegt. Eine Lehrkraft z.B., die 2010 ihr zweites Staatsexamen erlangt hat, ist keineswegs automatisch qualifizierter, als eine Lehrkraft, die 2008 ihren Bachelor gemacht hat und seitdem im Ausland im Schulsystem gearbeitet hat. Wichtig wäre hierbei besonders, auf die sprachliche Qualifikation zu achten.

6. Vorschlag: Vorbeugende Maßnahmen zur Gesundheitsförderung

Zumindest auf der Seite, auf der ich mich informiert habe, wurde das nicht weiter ausgeführt. Es klingt aber ein wenig so, als sollen die überarbeiteten Lehrer:innen zweimal die Woche zum Yoga und Achtsamkeitstraining und dann würden die das schon packen. Das bekämpft aber, wenn überhaupt, die Symptome, zielt aber am Kern der Ursache vorbei: Große Klassen, wenig Freizeit (und ich werde an dieser Stelle nicht müde zu betonen, dass die meisten Lehrer die Abenden, Wochenende und die Ferien nicht komplett frei haben) und eine hohe emotionale Belastung. Tatsächlich wäre in erster Linie eine reelle Entlastung der Lehrkräfte präventiv: Doppelbesetzung z.B. durch Studierende im Unterricht, kleinere Klassen z.B. durch den Einsatz von qualifizierten Seiten- und Quereinsteigern oder Lehrpersonal mit ausländischem Abschluss, Entlastung durch weniger verpflichtender Klassenarbeiten (Stichwort: Vorbereitung und Korrekturaufwand) usw.

An der Diskussion ist hierbei besonders spannend, dass die KMK im selben Text auf eine Veröffentlichung verweist, aus der hervorgeht, dass immer mehr SchülerInnen am Ende der vierten Klasse die Mindeststandards in Deutsch und Mathemathik nicht erreichen. Ob die oben beschriebenen Maßnahmen dem sinnvoll entgegenwirken, ist aus meiner Sicht mehr als fraglich. Während die KMK der Auffassung ist, dass Studierende und Seiteneinsteiger:innen das Problem des Lehrermangels nicht lösen, es stattdessen die bessere Strategie wäre, “die Verantwortung qualifizierter Lehrer:innen zu stärken, die bereits im System sind”, würde ich dem ersteinmal widersprechen: Die Verantwortung der qualifizierten LehrerInnen im System ist bereits immens hoch. Das ist der Grund, weshalb viele auf Teilzeit oder verfrüht in den Ruhestand gehen oder eben auch an Privatschulen wechseln (soll mir ja letzten Endes Recht sein).

Immerhin erkennt die KMK auch an, dass es bei den hier gemachten Vorschlägen um kurzfristige Notlösungen geht, langfristig durchaus der Lehrerberuf attraktiver gestaltet werden müsse.

* Alle Vorschläge entnehme ich http://www.kmk.org/aktuelles/artikelansicht

Die unsichtbaren Kinder in unseren Klassenzimmern

Ich bin sicher, jeder Lehrer, jeder Pädagoge, jeder Erzieher kennt diese Kinder, bei denen man einfach froh ist, sie in der Klasse zu haben. Sie machen, was man sagt, halten sich an die Regeln, sind weder besonders leistungsstark, noch leistungsschwach, aber in der Regel fleißig und motiviert. Manchmal, wenn man ehrlich zu sich selbst ist, ist man vielleicht sogar erleichtert, dass man sich “um diese Kinder” nicht auch noch kümmern muss, weil die Ressourcen “Zeit und Energie” von denen aufgesaugt werden, die beides von uns einfordern. Wenn die Eltern dieser KInder fragen, wie es läuft, dann lautet die standardmäßige Antwort bei den durchschnittlichen Kindern häufig: “Alles gut, machen Sie sich keine Sorgen.” Beim Verfassen der Zeugnistexte ist es mitunter schwerer, treffende, individuelle Sätze zu finden, um diese Kinder zu beschreiben, denn irgendwie gehen sie in der Masse unter. Allzu häufig werden diese Kinder auch als “Pufferkinder” benutzt, also zwischen die gesetzt, die nicht so easy handlebar sind, die im Unterricht quatschen oder Quatsch machen.

Quelle: Pexels

Das alles klingt gruselig unprofessionell. Doch auch wir Pädagogen sind Menschen, die intuitiv auf Situationen reagieren und im Überlebensmodus (klingt so dramatisch, wie es auch manchmal gemeint ist) versuchen, die eigenen Ressourcen kräftemäßig fair zu verteilen.

Das alles könnte die Eltern fast hoffen lassen, dass ihr Kind nicht zu den Unsichtbaren gehört. Welche Kinder gehen wohl am Ende des Tages glücklicher und zufriedener nach Hause? Die, die sich ihre Aufmerksamkeit auf die ein oder andere Weise einfordern, oder die, die still folgen? Erfahren werden wir das vielleicht nicht, denn die Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder, die sich in der Schule zurückhalten, das evtl. auch zu Hause tun, ist nich klein.

Uns als Pädagogen sollte wichtig sein, dass sich alle SchülerInnen in einem angemessenen Maße gesehen fühlen. Dass sie merken: Auch ich bin meinem Lehrer wichtig. Sie sind gut so, wie sie sind. Und ja: Natürlich müssen wir uns immer erstmal um die kümmern, die den Unterricht sprengen, die Unruhe stiften, die uns fordern. Denn nur dann haben wir den Kopf frei, um auch die anderen in den Blick zu nehmen (das ist in der Schule nicht anders, als in Familien).

Mit meinen KollegInnen habe ich am vergangenen Freitag bei Schulentwicklungstag überlegt, welche Tricks und Kniffe es gibt, um den unsichtbaren Kindern mehr Wertschätzung und Anerkennung zu vermitteln. Meine fünf Top-Tipps, die umzusetzen sind unabhängig von der Anzahl und dem Verhalten der “Troublemaker”*, möchte ich heute mit euch teilen.

Kinder mit Du ansprechen

Das ist nun wirklich kein Geheimrezept und alle Lehrer haben das schon mal gesehen oder gehört. Wenn wir sagen: “Du räumst jetzt bitte deinen Platz auf und gehst in die Pause!” hat das eine andere Wirkung als zu sagen: “Ihr räumt jetzt bitte auf und geht in die Pause!”. Im besten Fall fühlt sich jedes Individuum angesprochen und nimmt sich nicht nur als “Einer von 20” wahr.

Eine Karteikarte mit Namen aufs Lehrerpult

Den Vorschlag hat ein Kollege gemacht. Man könnte sich eine Karteikarte auf das Lehrerpult legen mit den Namen derer, die man in dieser Stunde aktiv ansprechen möchte: Beim Melden drannehmen, loben, Fragen stellen…. Auf der Karteikarte kann man dann Striche machen und nachverfolgen, wie oft man den Kindern Beachtung geschenkt hat. Irgendwann automatisiert sich das dann hoffentlich und die Karte ist nicht länger nötig.

Den eigenen Platz im Sitzkreis variieren

Ich habe häufig Kinder, die sich im Sitzkreis deutlich besser konzentrieren können, wenn ich neben ihnen sitze. Dabei möchten ganz viele Kinder auch gern mal neben ihrem Lehrer oder ihre Lehrerin Platz nehmen dürfen. Manche ruhigeren Kinder, machen das subtil deutlich, indem Sie z.B. den Platz zwischen ihnen freihalten und dann traurig gucken, wenn man sich doch woanders hinsetzt. Manche Kinder zeigen das nicht, man merkt aber, dass sie sich freuen, wenn die Lehrerin bei ihnen sitzt, weil sie sich leicht ankuscheln oder kurz zufrieden lächeln, wenn es passiert. Das kann schon eine Menge bewirken und ist ebenso umzusetzen beim Mittagessen, Aufstellen in der Schlange etc.

Eine Umgebung schaffen, in der alle zu Wort kommen

Häufig kann man nicht alle Kinder drannehmen, die sich melden (häufig ergibt es auch keinen Sinn, denn wenn ein Kind schon beantwortet hat, was das Ergebnis von 2+5 ist, braucht man nicht zehn Kinder hören, die das Ergebnis wiederholen). Das ist okay. Man kann aber darauf achten, wen man drannimmt. Nimmt man z.B. häufiger Mädchen dran? Häufiger die Kinder aus der letzte Reihe? Häufiger die “Störenfriede”*, um zu vermeiden dass ein “Oh mann, nie nimmst du mich ran” durch die Klasse geht, tut man es nicht. Aber es gibt auch viele Anlässe, wo man alle zu Wort kommen lassen kann, auch wenn das Zeit kostet. In der Regel ritualisieren sich solche Prozesse mit der Zeit, sodass der Zeitfaktor auch in den Hintergrund rückt. Im Morgenkreis darf in meiner ersten Klasse zum Beispiel jedes Kind sagen, ob es gerade glücklich, traurig, aufgeregt etc ist und jedes Kind, dass uns auch berichten möchte, warum es sich so fühlt, darf das. In meinen letzte Jahrgängen habe ich pro Gefühlszustand jeweils nur drei Kinder drannehmen lassen. Jetzt nicht mehr…

Auch beim Klassenrat starten wir mit einer Lobrunde, bei der sich jedes Kind äußern soll.

Monatliche 5-10 Minuten-Einzelgespräche mit jedem Kind

Wo soll man dafür die Resourcen hernehmen? Klar, das muss gut überlegt sein. Mein Vorschlag wäre, eine feste Freistunde der Woche dafür zu nutzen oder eine Stunde, in der man doppelt besetzt ist. Bei mir an der Schule wäre das konkret Lernen lernen oder der Klassenrat (wobei beim letzteren schon alle Kinder und Lehrer anwesend sein sollten). In den kurzen Gesprächen kann man nachfragen, was das Kind auf dem Herzen hat. Man kann aber auch ganz offene Fragen stellen, die überhaupt nichts mit der Schule zu tun haben: “Mich würde mal interessieren, wie dein Kinderzimmer aussieht. Was magst du darin am Liebsten? Was ist dein Lieblingsspielzeug? Hast du schon mal jemanden einen Streich gespielt? Was hat dich diese Woche zum Lachen gebracht?” Es gibt auch Karteikarten, die man dafür benutzen kann und da Kinder unterschiedlich sind, ergibt sich das Gespräch bei manchen Kindern von allein.

Wir als Kollegium haben uns vorgenommen, in den nächsten Wochen die ein oder andere Idee in unseren Klassen umzusetzen (es wurde natürlich noch mehr gesammelt, als die von mir hier beschriebenenen). Wichtig war es, dass wir uns mit diesem Thema überhaupt auseinandergesetzt haben, dass wir den Blick auf die gerichtet haben, die wir sonst zu häufig übersehen. Ich möchte dich dazu einladen, das auch in deiner Klasse bzw. deinen Klassen zu tun!

Schulleiterin & Lehrerin, schwanger und nicht im Beschäftigungsverbot

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Ich bin derzeit im 6. Monat schwanger und arbeite nach wie vor in der Schule. Seit Beginn der Schwangerschaft wird dieser Umstand von Freund:innen, Bekannten und Kolleg:innen kommentiert: “Warum bist du nicht im Beschäftigungsverbot?”. “Also, die Klassenlehrerin meines Neffen ist ja sofort ins Beschäftigungsverbot gegangen.” “Mich wundert ohnehin, dass du noch arbeitest.”

Warum ich nicht ins Beschäftigungsverbot gehe ist einfach: Weil es nicht dafür vorgesehen ist, die Arbeit in einer Schule gänzlich niederzulegen. “Der Arbeitgeber darf Sie keine Tätigkeiten ausüben lassen, bei denen Sie oder Ihr (ungeborenes) Kind einer sogenannten unverantwortbaren Gefährdung ausgesetzt sind oder sein könnten.” (Quelle: Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend). Also, wie gefährlich ist unser Job wirklich? Solange ich nicht in Klassen unterrichte, in der ich möglicherweise körperlichen Angriffen ausgeliefert bin (solche Kinder gibt es an Grundschulen, das weiß ich), ich nicht mit Chemikalien hantiere oder schwere körperliche Aufgaben verrichten muss, z.B. im Sportunterricht, kann ich unterrichten. Es steht mir frei, meinen Unterricht so zu gestalten, dass ich ihn gut bewältige. Seit sechs Wochen bedeutet das: Ich sitze in Arbeitsphasen am Pult und die Schüler:innen kommen zu mir, wenn sie mit einer Aufgabe fertig sind oder eine Frage haben. Ich lese mehr vor als früher und lasse die Klasse wöchentlich Fantasiereisen machen – sind die Kiddies entspannt, bin ich es auch. Durch den Klassenraum laufen tue ich während des Unterrichts so gut wie gar nicht mehr.

Vorsorgliche Maßnahmen, die es in meinem Bundesland bzgl. Corona gab, gibt es derzeit nicht mehr. Also arbeite ich…und das gern. Ich kann mir gar nicht vorstellen, neun Monate zu Hause zu sein (auch wenn ich sicher bin, dass man sich daran gewöhnt und ja, auch ich habe die Herbstferien genossen). Ich liebe den Umgang mit den Kindern (das wirklich Anstrengende ist meist eh die Arbeit mit den Eltern) und ich liebe die Arbeit mit meinen Kolleg:innen. Dieser positive Stress tut mir gut, macht mir Spaß und kann sich somit gar nicht negativ auf die Entwicklung meines Babys auswirken, denn sonst hätte mich meine Frauenärztin sicher krankgeschrieben oder ein ärztliches Beschäftigungsverbot angeordnet. Ein weiterer wichtiger Grund für mich zu arbeiten ist die Ablenkung. Je mehr Zeit ich zu Hause verbinge, desto mehr Zeit grüble ich oder lese Horrorstories im Internet. Im April hatte ich bereits eine Fehlgeburt (ja, ich bin sehr schnell wieder schwanger geworden…hätten wir das vorausgeahnt, hätte ich keine neue erste Klasse übernommen) und das hat Spuren hinterlassen. Auch deshalb tut mir das Arbeiten, die damit einhergehenden Routinen und der Austausch gut (und ganz ehrlich finde ich es auch schön, wie aufmerksam meine Kolleg:innen sind und jetzt auch die Schüler:innen mitfiebern).

Gerade aufgrund der traumatischen Erfahrungen im Frühjahr ist mir besonders wichtig, auf mich und mein Baby zu achten und kein unnötiges Risiko einzugehen. Ein Beschäftigungsverbot kann auch in Teilen ausgesprochen und umgesetzt werden. Für mich konkret heißt das, dass ich in diesem Schuljahr keine Pausenaufsichten mache, keine Vertretungsstunden mehr und maximal 45 Minuten am Stück allein mit den Kindern im Klassenraum verbringe.

Dass ich keine Aufsichten mache, war für mich von vornherein klar. Pausenaufsichten sind unvorhersehbar. Mal muss man einem Kind hinterherrennen, mal wirklich laut rufen um gehört zu werden und mal bei einem körperlichen Streit dazwischengehen. Hier läge also eine unverantwortliche Gefährdung vor.

Zu Beginn des Schuljahres habe ich noch Vertretungsstunden übernommen- allerdings auch da schon ausschließlich in meiner eigenen Klasse. Hier habe ich festgestellt, dass mich das überfordert (obwohl ich eigentlich gern vertrete, mir Vertretungsunterricht nicht schwerfällt und ich auch immer was in Petto habe), weil mir dadurch die Ruhezeiten fehlten. Dadurch liegt eine etwas größere Vertretungslast auf meinen Kolleg:innen. Dies ist mir besonders zu Beginn schwer gefallen, da ich die Art von Führungsperson sein will, die mit gutem Beispiel vorangeht und ich genau wie alle anderen eine Vertretungsstunde pro Woche im Kontingent habe. Allerdings ist es letzendlich so: Wenn ich selbst für Vertretungsstunden eingesetzt werde (oder mich selbst einsetze, denn ich mache den Plan an zwei Tagen in der Woche), besteht die Gefahr, dass ich am nächsten Tag ausfalle. Dann müssten auch meine Stunden vertreten werden- was den Arbeitsaufwand für meine Kolleg:innen nur zusätzlich erhöhen würde.

Auch Doppelstunden hatte ich zu Beginn des Schuljahres noch. Hier habe ich darum gebeten, dass diese auseinandergezogen werden (der Stundenplan musste ohnehin überarbeitet werden). 90 Minuten ohne Pause haben mich angestrengt. Das hat damit zu tun, dass ich -besonders im dritten und vierten Monat- grundsätzlich schneller müde wurde, mein Konzentrationsfähigkeit nachgelassen hatte und sich durch die Anstrengung das Ziehen meiner Mutterbänder verstärkt hatte. (Anstrengung = über 90 Minuten die Aufmerksamkeit auf 21 Erstklässler zu verteilen, ist anstrengend. Dies ist normal für unseren Job und in einem unschwangeren Zustand auch schon ermüdend).

Und was passiert jetzt, wenn doch mal was passiert? Das habe ich mit meinem Arzt auch besprochen, als ich an einem Mittwoch um 17:30Uhr panisch in seine Praxis kam, weil mir mittags ein Kind in den Bauch gerannt ist. Er hat mir versichert, dass da nichts passiert sein kann, aber um mich zu beruhigen, trotzdem nachgeschaut. Natürlich war alles in Ordnung. Die Babys sind durch die Fruchtblase sehr gut gegen Stöße geschützt. Was gefährlich ist, ist, wenn die Plazenta verletzt wird und dadurch das Baby nicht mehr versorgt werden kann. Das passiert in der Regel erst bei Autounfällen mit hoher Geschwindigkeit. Um Stöße in den Bauch zu vermeiden, sagt er, müsse man sich die neun Monate zu Hause einsperren und selbst das nützt nur etwas, wenn man nicht bereits ein Kleinkind zu Hause habe…

Glaubt mir, sobald es Anzeichen gibt, dass es mir oder dem Baby nicht gut geht, bleibe ich zu Hause. Denn für sein und mein Wohlergehen bin ich jetzt in erster Linie verantwortlich. Aber ich habe auch einen Job, an dem 21 Kinder unmittelbar und 120 weitere mittelbar dranhängen. Ich habe die Schule an der ich arbeite, in weiten Teilen mitgestaltet und entwickelt. Ich weiß, dass meine Nachfolgerinnen in der Klassenleitung und im Fachunterricht einen tollen Job machen werden und es den Kindern gut gehen wird, weil ich die Übergabe jetzt vorbereite und auch den Kindern einen Abschied von mir ermögliche (tatsächlich habe ich meiner Klasse und den Eltern erst heute von der Schwangerschaft erzählt).

Ob ich nachvollziehen kann, dass Lehrerinnen sich ins Beschäftigungsverbot schicken lassen?

Das hängt mit dem Arbeitgeber zusammen, dem Standpunkt der Schule (an Brennpunktschulen ist es sicher noch einmal anders), an der Schulart und dem Alter der Kinder. Wenn der Arbeitgeber wie bei mir Möglichkeiten anbietet, die Lehrin zu schützen (meinetwegen auch noch ergänzt durch eine Doppelbestzung durch Studierende, FSJlerinnen o.ä.) und eine Gefährdung für Mutter und Kind per se nicht angezeigt ist, tue ich mich schwer. Allerdings muss ich auch sagen, dass ca. 60% meiner Arbeit vor Ort in der Schule im Büro stattfindet und nur 40% meiner Arbeitszeit im Klassenraum. Normalerweise hätte eine Lehrerin mit voller Stelle bei uns doppelt so viele Unterrichtsstunden wie ich. Dass das anstrengend ist, kann ich absolut nachvollziehen, allerdings glaube ich nicht, dass meine Arbeit als Leitung weniger anstrengend ist – nur anders anstrengend. Und ich weiß jede, wirklich jede Schwangerschaft verläuft anders. Ich hatte z.B. bis auf drei Tage in den Sommerferien, nicht mit Übelkeit zu kämpfen. Kurzatmig bin ich, ja, aber wenn das kein Wink ist, die Lehrersprache zu reduzieren, dann weiß ich auch nicht 😉

Ich weiß, dass manche Schwangerschaftsverläufe eine vermehrte Krankschreibung oder ein Beschäftigungsverbot benötigen. Und es ist wichtig, dass Frauen die Möglichkeit erhalten, sich möglichst sorglos um sich selbst und das im Bauch wachsende Baby zu kümmern, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Ich weiß aber auch, dass viele Frauen sich deshalb krankschreiben oder ins Beschäftigungsverbot schicken lassen, weil es sehr einfach ist in unserem Beruf. Das muss meiner Meinung nach nicht sein, denn wie heißt es so schön? „Ich bin schwanger und nicht krank.“

Und was passiert dann nach der Geburt?

Im Moment plane ich, nach dem Mutterschutz Teilzeit weiterzuarbeiten. Dann allerdings ausschließlich im Büro / Homeoffice und gar nicht im Klassenraum. Dazu haben auch viele Leute viel Meinung. Aber auch das ist meine Entscheidung.

Die magischen Neun zum Schulanfang

Tipps und Wünsche von einer Grundschullehrerin und Schulleiterin

Wenn man manche Eltern so beobachtet, kann man sich die Frage stellen, für wen die Einschulung des Sprösslings eigentlich der Meilenstein ist. Während der erste Tag und die ersten Wochen eigentlich eine positiv-aufregende Zeit für jeden ABC-Schützen sein sollten, beobachte ich doch in jedem Jahr immer mehr Stress bei den Eltern, der sich natürlich über Kurz oder Lang auf die Kinder überträgt. Schwierigkeiten, sich vom Kind zu lösen (Wie häufig werden wir bei Anmeldegesprächen nach einer Eingewöhnungsphase gefragt?!), Sorge um die Leistung des Kindes und den Anschluss in der Klassengemeinschaft sind keine Seltenheit. Dabei ist der Schulanfang für jedes Kind ein Meilenstein, denn die Kinder werden in den vier Jahren (oder sechs, je nach Bundesland), in denen Sie die Grundschule besuchen, unter anderem selbständiger, autonomer und verantwortungsbewusster. Wenn man sie lässt. Dafür benötigen Sie einige Unterstützung. Diese erfahren sie am ehesten, wenn Elternhaus und Schule zusammenarbeiten bzw. Hand in Hand gehen. Dies ist nicht immer leicht, denn beide Seiten haben Vorstellungen, Wünsche und Sorgen (wobei letztere eher bei den Eltern als bei der Schule liegen), die es unter einen Hut zu bringen gilt. Daher folgen hier von mir “Die magischen Neun zum Schulanfang”

1. Schultüte

Die Schultüte symbolisiert den Schulanfang. Egal ob gekauft oder selbstgemacht empfehle ich Eltern, sie nicht zu überfüllen. Auch benötigt es keine teuren oder elektronischen Spielsachen. Versuchen Sie Dinge zu finden, die die Freude auf die Schule wecken: Ein Erstlesebuch, lustige Stifte, eine magische Schreibtafel, eine neue Brotdose ergänzt durch ein paar Süßigkeiten. Im Übrigen benötigen Kinder auch keine zweite oder dritte Schultüte von den Großeltern oder der Tante. Stattdessen können diese sich lieber an den Kosten zum Essengehen beteiligen oder eine Kleinigkeit für die Schultüte beisteuern. In allen Discountern und Drogerien gibt es zwischen Juni und September eine Menge passender Dinge, die sich hervorragend zum Befüllen der Schultüte eignen. Vieles davon schaffe ich auch selbst für meine Klasse an.

Übrigens sollte die Schultüte über einen längeren Zeitraum von dem Kind selbst zu tragen sein. Ist sie zu groß oder zu schwer, macht es das schwieriger.

Werbung, aber selbst bezahlt.

2. Den Schulweg üben

Immer häufiger blockieren die sogenannten Elterntaxis die Straßen vor den Grundschulen. Einem Sechsjährigen sind Fußwege von 15 – 20 Minuten durchaus zuzutrauen. Warum die Kinder trotzdem gefahren werden, hat ganz unterschiedliche Ausreden Gründe:

  • Die eine Kreuzung ist so gefährlich.
  • Mein Kind trödelt so.
  • Es ist morgens noch dunkel.
  • Es könnte ein Mitschnacker kommen.

Dies alles sind nachvollziehbare Sorgen der Eltern, aber dennoch können die Kinder hier Autonomie erfahren und, so ungern ich es sage: Wir haben es doch früher schließlich auch geschafft… . Ich empfehle, den Weg in den Wochen vor dem Schulstart zu üben. Besprechen Sie Gefahrenstellen, üben Sie Routinen am Morgen ein (trödelt Ihr Kind auf dem Weg, oder sollten Sie den Morgen zu Hause anders strukturieren und dort Zeit schaffen?). Selbst wenn Sie Ihr Kind aufgrund der Entfernung mit dem Auto zu Schule bringen müssen, lassen Sie es 500m vor der Schule raus. Auch den Weg können Sie üben. Zum einen fördern Sie wieder die Selbstständigkeit, zum anderen helfen Sie auch, Stau vor der Schule zu vermeiden (hier passieren übrigens sehr viele Unfälle – paradox, oder?).

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3. Gesprächsangebot

Es gibt diese Kinder, die nichts aus der Schule erzählen. Das ist okay, solange das Kind weiß, dass es theoretisch mit Ihnen sprechen könnte. Wenn Ihr Kind beim Nachhausekommen plappert wie ein Wasserfall, super! (Dennoch möchte ich hier eine meiner Lehrerweisheiten anbringen, die ich gern auch bei Elternabenden hinterlasse: Solange Sie nicht alles glauben, was Ihr Kind von der Schule erzählt, versprechen wir, nicht alles zu glauben, was Ihr Kind von Zuhause erzählt.). Wenn Ihr Kind zu den Schweigsameren gehört, dann führen Sie ein Ritual ein. So können Sie z.B. beim Abendessen eine Runde machen, in der jeder am Tisch eine Herausfroderung schildert und am Ende etwas Positives. Die meisten Kinder können das, weil sie das in Gesprächskreisen in der Schule lernen. Und wenn die Eltern auch von der Arbeit berichten, hilft es den Kindern sicher, sich ebenfalls zu öffnen.

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4. Nicht schlecht über die Lehrer und die Schule sprechen

Sie werden nicht mit allem einverstanden sein. Das ist normal. Das ist verständlich. Machen Sie aber nicht den Fehler, Ihren Mismut vor Ihrem Kind auszusprechen – egal, ob es einen Unterrichtsstil oder das Mittagessen betrifft. Sie werden es hoffentlich nie erleben, dass Lehrer vor Ihrem Kind sagen: “Dass deine Mutter dir nach 18 Uhr noch Süßigkeiten erlaubt, geht gar nicht.” oder “Kein Wunder, dass du so unselbstständig bist, wenn dein Vater dich morgens zur Schule fährt.” – selbst wenn die Lehrer es denken. Also achten Sie darauf, wenn Sie Kritik haben, diese an den Pädagogen zu richten und nicht auf den Schultern des Kindes abzuladen. Die Kids wollen in der Regel allen Erwachsenen gefallen und auch wenn die Beziehungen vollkommen andere sind, profitiert Ihr Kind nicht von einer Zerissenheit. Im Zweifel fragen Sie beim Lehrer nach und lassen Sich die Situation noch einmal aus deren Sicht schildern.

Ein Beispiel:
Ihr Kind kommt mit einem aufgeschlagenen Knie nach Hause und Sie wurden nicht vorab darüber informiert (das kann, sollte aber nicht vorkommen). Ihr Kind wird vielleicht sowas sagen wie: “XY hat mich in der Pause geschubst.” und auf Nachfrage bestätigt es Ihnen dann, dass da keine Aufsicht auf dem Schulhof war. Nun sollten Sie, auch wenn es schwer ist, Ruhe bewahren. Machen Sie sich klar: Ein aufgeschlagenes Knie ist kein Weltuntergang. Ob dort wirklich keine Aufsicht war, lässt sich nur klären, indem Sie nachfragen. Vermutlich war diese gerade nicht weit entfernt, hat sich z.B. aber um einen Konflikt gekümmert, ein anderes Kind verarztet oder einem Kind vom Klettergerüst geholfen. Informieren Sie die Klassenlehrerin nun, dass Sie sich gewünscht hätten, informiert zu werden, um den Vorfall besser einordnen zu können und sie wird merken, dass es Ihnen wichtig ist.

Dasselbe gilt übrigens auch, wenn Ihr Kind sich bei Ihnen über den Lehrer beschwert – das wird wahrscheinlich vorkommen. Hören Sie sich die Sorgen an und ermutigen Sie es dann, je nach Handhabung an der Schule, das Gespräch mit dem Lehrer zu suchen oder schreiben Sie einen gemeinsamen Brief in den Worten des Kindes. Sie möchten Ihr Kind in der Situation unterstützen. Das tun Sie, indem Sie zuhören und bestärken: “Du hast dich in der Situation misverstanden gefühlt?” “Du fandst das unfair, dass du ermahnt wurdest und nicht Theo?”. Damit helfen Sie Ihrem Kind, die Gefühle zu sortieren.

Auch empfehle ich Ihnen, Kritik am System vor Ihrem Kind nicht breitzutreten (und diese Kritik gibt es zurecht). Verlegen Sie solche Gespräche auf Momente mit Ihrem Partner oder mit Ihren Freunden. Das “Bildungssystem” als solches können Grundschüler noch gar nicht greifen.

5. Kinder Konflikte selbst lösen lassen

Streit gehört zur Entwicklung dazu. Er ist ein wichtiges Instrument um Selbstwirksamkeitzu erfahren und für Bedürfnisse einzustehen.

Egal, ob mit Mitschülern oder Lehrern: Die Kinder wissen, wie man streitet und die Kinder wissen, wie man sich Hilfe holt. Häufig blutet das Elternherz, wenn Kinder zu Hause von einem Streit berichten, bei dem das eigene Kind – natürlich – meist das Opfer ist. Seien Sie sicher, dass Konflikte, von denen die Lehrer wissen, in der Schule geklärt werden. Sollte etwas durchrutschen, z.B. weil die Streitparteien sich doch noch keine Hilfe holen oder es z.B. am Ende des Schultages passierte, motivieren Sie Ihr Kind zu Hause noch einmal, sich am nächsten Tag an den Lehrer des Vertrauenes zu wenden und fragen nachmittags nach. Sollte das Kind sich nicht getraut haben, schicken Sie einfach eine freundliche Notiz/ Email an den Lehrer, mit der Bitte das Kind noch einmal drauf anzusprechen.

Sie werden überrascht sein, wie gut Ihr Kind für sich einstehen kann, wenn es von einer Lehrkraft begleitet wird, über die eigenen Gefühle und Bedürfnisse zu sprechen und Erwartungen zu formulieren.

6. Geduld

Schwierig, nicht wahr? Aber geben Sie Ihrem Kind und den Lehrern mindestens bis zu den Herbstferien Zeit, Ihr Kind kennenzulernen. Sie dürfen nicht vergessen, dass Ihr Kind seinen Platz neu finden muss, neuen Routinen ausgesetzt ist und neuen Erwartungen gegenübersteht. Auch die Lehrer benötigen Zeit, 20 (oder mehr) Kinder ankommenzulassen, zu beobachten und einzuschätzen. Glauben Sie mir: Wenn in den ersten Wochen etwas deutlich schief läuft, werden die Lehrer es Sie wissen lassen. Aber bitte, bitte, bitte sehen Sie davon ab, die Lehrer zu fragen, ob Ihr Kind Nachhilfe benötigt, warum es noch nicht lesen kann oder warum es keine Freunde findet. Das sind alles relevante Fragen, können sich aber sehr schnell legen (bis auf das Lesen…das dauert) oder haben bis nach den Herbstferien Zeit.

7. Hausaufgabenhilfe

Bieten Sie Ihrem Kind Hilfe bei den Hausaufgaben an. Sie können verschiedene Angebote machen, aus denen Ihr Kind wählen kann:

  • Möchtest du, dass ich mich zu dir setze, falls du eine Frage hast?
  • Möchtest du, dass ich in der Nähe bleibe, falls du eine Frage hast? (In der Zeit können Sie z.B. das Abendessen vorbereiten oder die Spülmaschine umräumen)
  • Möchtest du die Hausaufgaben allein machen und am Ende schaue ich sie mir an?

Ihr Kind wird relativ schnell einschätzen können, wo seine Stärken und Schwächen liegen und sich z.B. bei Mathe Unterstützung wünschen, während Deutsch einfach von der Hand geht.

Zwei Wünsche hätte ich noch: Lösen Sie die Aufgaben nicht für Ihr Kind. Wenn möglich erklären Sie etwas anhand anderer Aufgaben. Das ist zwar meist mit mehr Arbeit für Sie verbunden, gibt dem Kind aber die Möglichkeit, das Gelernte zu übertragen..

Und zweitens korrigieren Sie bitte nicht jeden Fehler in den Hausaufgaben. Heute kommt es an sich nicht mehr vor, dass Kinder mit den gemachten Fehlern im Klassenraum bloßgestellt werden. Es ist wichtig, dass die Lehrer einen realistischen Eindruck von den Fähigkeiten des Kindes erhalten. Dieser ist verfälscht, wenn Sie alles vorkorrigieren und kann z.B. dazu führen, dass Lese-Rechtschreibschwächen und ähnliches später entdeckt werden, weil es zu Hause ja alles kann.

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8. Gemeinsame Materialsichtung und echte Wertschätzung

Machen Sie es sich zur Gewohnheit, an einem beliebigen Tag der Woche gemeinsam das Material zu sichten und den Ranzen aufzuräumen (bei mir an der Schule nicht, da die Kinder ihre Materialien in der Klasse lassen). Nach und nach kann das Ordnen Ihr Kind übernehmen. Schauen Sie sich die Arbeitsergebnisse der Woche gemeinsam an und lassen Sie sich alles erklären.

Beachten Sie dabei: Ihr Kind benötigt kein Lob für selbstverständliche Dinge. Allerdings benötigt es Wertschätzung. Loben Sie nicht den selbstgemalten Schmetterling, den Ihre Tochter malen kann, seit sie 3 Jahre alt ist, sondern die Tatsache, dass sie das k jetzt richtigherum schreibt. Freuen Sie sich mit ihr, dass sie einen Smiley unter ihren Hausaufgaben bekommen hat, obwohl sie sich mit diesen besonders schwer getant hat.

Ihr Kind wird sich so wichtig und gesehen fühlen und gleichzeitig erhält die Schule einen angemessenen Stellenwert.

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9. Erinnerungen aus Elternbriefen in den (Familien-)Kalender eintragen

Langfristig soll Ihr Kind lernen, selbst an alles mögliche zu denken. Aber besonders das erste Schuljahr ist überwältigend, die Gedanken überall und es gilt, viele Eindrücke zu verarbeiten. Da merkt sich nicht jedes Kind, dass es donnerstags die Schwimmsachen benötigt, Montag und Dienstag die Sportkleidung, am Mittwoch 5 Euro für den Theaterbesuch mitbringen soll und am Freitag ein Elterngespräch stattfindet. Tragen Sie sich Infos, sobald Sie die erhalten, ein. Ich empfehle dafür tatsächlich das Handy – weil es einen auch aktiv erinnert. Wenn Sie zu Hause aber ein anderes System nutzen, wie einen Wandkalender, dann nutzen Sie gern den. Versuchen Sie aber, Ihr Kind an das Erinnern zu erinnern. Nutzen Sie z.B. Sätze wie: “Morgen ist Donnerstag. Was dürfen wir nicht vergessen?”. Sicher erinnert es sich spätestens jetzt an den Schwimmunterricht um beim Taschepacken kann es helfen (Autonomie!!!).

Wenn Sie die schulischen Angelegenheiten im Blick haben, entspannt es Ihren Alltag, weil es nicht zu Last-Minute-Hetzereien kommt. Damit entspannen Sie die Morgen- und Abendroutine und auch Ihr Kind.

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Was wir von Kindern erwarten

(aber oft selbst nicht mögen…)

Es ist ganz egal, ob es hierbei um das Leben in der Schule oder das zu Hause geht. Wir haben viele Erwartungen an Kinder. Häufig erwarten wir bestimmte Verhaltensweisen, obwohl wir selbst uns nicht mehr immer so verhalten. Mir wurde das vor einiger Zeit klar, als ich mich mit einer Schülerin in einer solchen Situation befand:

Ich stand, mit vier Mädels, vor dem Unterricht im Klassenraum. Wir unterhielten uns über das Wochenende, das Ende der Grundschulzeit…es war ein lockeres Gespräch. Das Haar von dem Mädchen neben mir sahen besonders weich und golden aus. Als fasste ich es an. Ich weiß, es klingt gruselig und das ist es auch. Es war sehr, sehr übergriffig. Obwohl sie nicht abweisend reagiert hat und ich auch glaube, dass es für sie in Ordnung war, habe ich mich sofort entschuldigt. Ich hätte das nicht tun dürfen (unabhängig übrigens davon, ob ich ihre Lehrerin, ihre Tante oder eine Freundin bin).

“Boundary” (Pexels.com)

Ich habe über diese Situation viel nachgedacht, weil ich hier eine Grenze überschritten habe. Wir verbringen Jahre damit, unseren Kindern und SchülerInnen beizubringen, sich zu wehren, wenn mit dem Körper etwas gemacht wird, was nicht in Ordnung ist und laut NEIN! zu sagen, übergehen dabei aber selbst Grenzen. Es gibt den Spruch “Als LehrerIn steht man immer mit einem Bein im Gefängnis.”. Ich sehe das nicht ganz so eng, weil viele Kinder selbst kommen, sich eine Umarmung abholen, ein Schulterklopfen wollen oder denen es hilft (und für die es okay ist), wenn ein anderer ihnen in Gesprächssituationen beruhigend über den Rücken streicht (was das alles für männliche Pädagogen und Lehrer bedeuten kann, steht noch mal auf einem ganz anderen Blatt). Aber eine Grenze wird dann überschritten, wenn den Kindern etwas geschieht oder sie zu etwas gedrängt werden, wobei sie sich unwohl fühlen.

Daher folgen fünf Beispiele dafür, wo bei Kindern von Familienmitgliedern, FreundInnen der Eltern, ErzieherInnen und LehrerInnen Grenzen überschritten werden. Kinder können spätestens ab dem Kindergartenalter Zustimmung und Ablehnung ausdrücken – nur müssen die Erwachsenen darauf auch hören.

Körperkontakt

Sei es die Lehrerin, die das Haar anfasst, oder die Freundin der Oma, die ein Küsschen haben möchte, Beides geht nur, wenn das Kind sein Einverständnis gegeben hat. Das gilt auch für auf dem Schoß sitzen, an der Hand laufen, ein High Five geben, die Hand schütteln, Umarmt und getröstet werden und alles, was du dir sonst noch vorstellen kannst. Nur weil wir das Gefühl haben, ein Kind zu kennen, heißt es nicht, dass es von uns Erwachsenen angefasst werden will. Und noch viel wichtiger: Es heißt erst recht nicht, dass es von sich aus verbal oder nonverbal äußern wird, dass es sich nicht wohl fühlt. Also, frag doch einfach: “Möchtest du eine Umarmung haben?” oder “Möchtest du auf meinen Schoß, dann kannst du besser sehen?”. Damit zeigst du ihm, dass es eine Wahl hat.

(Ich spreche hier übrigens nicht von Situationen, in denen Kinder zum Beispiel die Hand der Eltern halten sollen, damit sie nicht über die Straße laufen oder so…)

Stell dir vor, dein Chef streicht dir durchs Haar, der Mann deiner Nachbarin zieht dich auf seinen Schoß oder der Vater eines Kindes zieht dich ungefragt in eine Umarmung, wenn er zum Lernentwicklungsgespräch in das Elternsprechzimmer kommt. Übergriffig? Ja!

Essen (auf)essen

Ja, LehrerInnen und besonders Eltern haben die Pflicht, auf die körperliche Unversehrtheit und das Wohl des Kindes zu achten. Wenn ich aber selbst nichts esse, wo Paprika und Tomate drin ist, warum erwarte ich dann vom Kind, dass es immer und immer wieder vom Brokkoli probieren muss? Klar verändern sich Geschmäcker, aber ja nicht von Dienstag auf Mittwoch.

Dasselbe gilt für das Aufessen der Portionen, besonders dann, wenn sich das Kind nicht selbst aufgefüllt hat. Wie oft lassen Erwachsene einen kleinen Rest auf dem Teller, während Kinder hören, dass es am nächsten Tag regnet, wenn sie nicht aufessen. Das ist nicht nur unfair, sondern auch höchst manipulativ.

Bitte und Danke sagen

Es gehört zu den höflichen Umgangsformen, zu bitten und zu danken und Kindern das als Vorbild vorzuleben, ist nicht verkehrt. Wie oft aber sagen Erwachsene etwas wie: “Kommst du an den Brotkorb ran?” und implizieren damit, dass man ihnen diesen bitte reichen möge. Ganz ohne “bitte”. Die Gewaltfreie Kommunikation geht im Übrigen davon aus, dass das Wort “Bitte!” eine Bitte nicht zu einer Bitte macht. Eine wahre Bitte lässt dem Gegenüber immer die Möglichkeit, auch nein zu sagen. Uns mal ehrlich: Jemandem den Brotkorb nicht zu reichen, obwohl man rankommt, ist sehr unhöflich und kommt äußerst selten vor, egal ob man “Bitte!” gesagt hat.

Dasselbe gilt für das Wort “Danke!”. Klar sollen Kinder lernen, Dankbarkeit auszudrücken und somit auch Dinge nicht als Selbstverständlich anzusehen. Aber, wenn ein Danke vorausgesetzt wird, zum Beispiel von der Tante, die dem Kind etwas zum Geburtstag schenkt, weil das Kind sonst eben keine Geschenke mehr bekommt, dann ist das manipulativ und bedeutet noch lange nicht, dass das Kind wirklich dankbar ist. Vielmehr wird es hier zu einer Floskel. Besonders für introvertierte, schüchterne Kinder kann es fast schon traumatisch sein, bei den entfernten Verwandten anzurufen oder beim nächsten Mal auf die zuzugehen und Danke zu sagen. Ich spreche da aus Erfahrung. (Übrigens ist es hier eine gute Alternative, Dankeskarten zu malen oder zu schreiben und zu versenden, wenn das Ereignis das verlangt wie z.B. nach einer Konfirmation oder einem großen Geburtatsg – das kostet die meisten Kinder weniger Überwindung, aber gleichzeitig mehr Mühe. Ich hätte das dem Anrufen meiner Tante 12. Grades tausendmal vorgezogen!)

Entschuldigen

Mal ehrlich, welche Erwachsenen entschuldigen sich, wenn sie etwas falsch machen? Ich kenne nur wenige. Ich tue es relativ häufig und sage meiner Klasse z.B.: “Hört zu, vorhin nach der Pause war ich sehr gestresst. Es tut mir Leid, dass ich laut geworden bin. Ich hätte andere Worte suchen sollen.” Aber das sind Momente, in denen ich wirklich denke, dass ich etwas falsch gemacht habe. Häufig werden aber Kinder zu Entschuldigungen gedrängt, obwohl sie kein Unrechtsbewusstsein haben, weil sie in ihren Augen unschuldig sind (oder sie noch zu jung sind). Dann wird eine Entschuldigung nur zur leeren Floskel. Ich frage die Kinder, nach einem Streitgespräch, ob sich jemand (denn häufig sind beide Seiten an einem Konflikt beteiligt und ich selbst kann das gar nicht richtig durchschauen) entschuldigen möchte und häufig sagt einer nein. Vornehmen, einander aus dem Weg zu gehen oder, dass es nicht wieder vorkommt, schaffen Kinder hingegen gut. Und wenn man später nachfragt, haben sie sich meist doch entschuldigt…

Teilen

Teilen macht Spaß und das muss man lernen. Das lernen Kinder zum Beispiel, wenn sie in der Schule oder im Kindergarten Muffins verteilen und die Freude in den Augen der anderen Kinder sehen. Aber deshalb muss ja nicht alles geteilt werden. Das Lieblingsspielzeug? Kleidung? Das Pausenbrot? Nein, nein, nein! Zum einen würde ich auch nicht jeden Erwachsenen, den ich kenne, mein Auto fahren lassen, zum anderen ist es auch für das andere Kind ein Lernprozess, ein Nein anzuerkennen.

Es ist toll, wenn Kinder teilen. Vor einiger Zeit fand in meiner Klasse eine Fahrradprüfung statt und ein Jung, der nicht viele Freunde in der Klasse hat, hatte kein Fahrrad dabei. Als ich gefragt habe, wer Fahrrad und Helm teilt, haben sich vier Kinder gemeldet. Aber 21 Kinder nicht. Und das ist auch okay.

Sicherlich sollen die Kinder höflich sein (Bitte und Danke sagen), andere nicht vor den Kopf stoßen (Körperkontakt zulassen), gesund essen und teilen. Das alles ist wichtig um in der Gesellschaft Anerkennung zu finden und Gesellschaft, Zusammengehörigkeit, freundschaftlicher Austausch etc. sind Grundbedürfnisse der Menschen. Aber ich behaupte, dass diese Punkte allein nicht ausschlaggebend sind, um Anschluss in einer Gruppe zu finden. Es ist ja auch nur selten so, dass ein Kind zum Beispiel nie teilt.

Wie oft halten Kleinkinder der Mama die Eiswaffel ins Gesicht, damit Mama auch mal dran leckt. Aber deshalb heißt es nicht, dass es das Sandförmchen auf dem Spielplatz mit einem fremden Kind teilen möchte.

Wie oft knabbert das Kind einen Apfel, eine Banane oder eine Gurke. Aber deshalb heißt es nicht, dass es auch Brookoli oder Rosenkohl mag.

Wie oft flüchten sich Kinder in die Arme von Oma, Papa oder dem Erzieher. Aber deshalb heißt es nicht, dass es immer Körperkontakt mit jeder Person zulassen möchte.

Es ist an uns Erwachsenen, den Kindern zu zeigen, dass Grenzen setzen okay ist. Dazu müssen viele von uns umdenken und umlernen. Das ist schwierig, das dauert seine Zeit, aber das schafft Bindung und wie ich immer schon sage: “Beziehungsaufbau kommt vor Wissensvermittlung!2

Privatschule – nur was für Reiche!?

…und weitere Vorurteile

Ich arbeite seit über sieben Jahren als Lehrerin an einer Privatschule. Seit fast 2,5 Jahren bin ich die Grundschulleitung. Ich habe mein Referendariat wie üblich an einer staatlichen Schule gemacht, treffe auf Fortbildungen überwiegend Lehrer:innen aus staatlichen Schulen, folge ihnen auf Instagram und auch diejenigen aus meinem Bekanntenkreis, die ich aus dem Studium, meiner eigenen Schulzeit oder dem Nebenjob kenne, sind heute alle an staatlichen Schulen. Und ja, auch in den Medien sind die staatlichen Schulen überrepräsentiert. Das ist verständlich, denn es gibt in Deutschland insgesamt nur knapp 6000 Privatschulen, aber knapp 32.000 allgemeinbildende staatliche Schulen und nur ca. 10 Prozent der Schüler:innen besuchen eine Privatschule.

Immer wieder bin ich in den letzten Jahren über Vorurteile gestolpert, mit denen ich hier -vielleicht- aufräumen kann. Dabei spreche ich allerdings nur über meinen Erfahrungsstand aus meinem Bundesland.

1. Wenn ein Kind eine Privatschule besucht, wird es danach nicht auf einer staatlichen Schule angenommen

Falsch! Das Schulsystem ist durchlässig. Es kommt immer wieder vor, dass Schüler:innen von der staatlichen Schule zu uns oder von uns auf eine staatliche Schule wechseln. Sowohl die Grundschulen als auch weiterführenden Schulen sind daran gewöhnt, dass es verschiedene Zeugnisse und Curricula gibt. Solange ein Platz da ist und es keine weiteren Gründe gibt, die gegen eine Aufnahme sprechen, ist der Weg frei.

2. Nicht jeder kann sich eine Privatschule finaziell leisten

Teilweise richtig! Um staatlich anerkannt zu sein, dürfen Privatschulen nur einen maximalen Beitrag von den Eltern verlangen. Es gibt aber durchaus auch Privatschulen, die das umgehen, z.B. indem Eltern dem Einkommen entsprechend Beiträge an den Schulförderverein zahlen müssen. Kirchliche Schulen erheben unter Umständen zudem ein Schulgeld, welches unter dem Höchstsatz liegt. Schulen, die ihre Schüler nicht nach dem Haushalteinkommen auswählen, ermöglichen in der Regel auch Schulgeldreduzierungen. Das ist dann möglich, wenn es genug vollzahlende Eltern an der Schule gibt, und weil das Bundesland der Schule für jede:n Schüler:in einen bestimmten Betrag zahlt. Im Übrigen sind viele Privatschulen dennoch auf gutsituierte Eltern angewiesen, die auch bereit sind, hin und wieder etwas Geld zu spenden. Im Gegensatz zu staatlichen Schulen müssen Privatschulen alles selbst finanzieren. Bei einem Klettergerüst kommen da locker mal 25.000 Euro zusammen. Das Geld liegt meist nicht einfach so im Tresor im Schulkeller…

3. Lehrer:innen an Privatschulen sind schlechter ausgebildet oder Die Lehrer:innen an Privatschulen haben woanders nichts bekommen

Falsch! Die Anerkennung der Lehrer:innen an Privatschulen obliegt der Schulaufsicht. Hier muss die Schule eine Befähigung nachweisen, die der an staatlichen Schulen entspricht (sofern die Schule staatlich anerkannt ist). Genauso wie an staatlichen Schulen, können aber auch Quereinsteiger eingestellt werden (zum Beispiel Mathematiker ohne Lehramtstudium als Mathematiklehrer). Um eine Schule zu leiten benötigt man aber das 2. Staatsexamen oder einen vergleichbaren Abschluss. Was, zumindest bei uns an der Schule anders ist, ist, dass wir vergleichsweise viele Lehrer: innen einstellen, die ihre Ausbildung im Ausland absolviert haben. Deren Abschluss entspricht dann aber dem, den ich habe. Genau so wie an staatlichen Schulen, werden auch an Privatschulen die Lehrer:innen häufig durch Erzieher:innen, Sozialpädagog: innen oder Studierende unterstützt.

Gleichzeitig ist es auch so, dass man sich als Lehrer:in bewusst dafür entscheiden muss, an einer Privatschule zu arbeiten (s.a. Punkt 4). Gerade 2015, als viele Schulen mit einer Flut an Flüchtlingen zu kämpfen hatten, hätten die staatlichen Schulen jede:n Leher:in, egal wie schlecht das Examen war, mit Kusshand genommen.

4. Lehrkräfte an Privatschulen werden schlechter bezahlt als an staatlichen Schulen

Teilweise richtig! Der Spielraum für Privatschulen ist definitv größer, weil sie sich nicht nach den Tarifen des Landes richten müssen. Außerdem kommt hinzu, dass Lehrer:innen an Privatschulen in der Regel nicht verbeamtet sind und somit höhere Abgaben zu zahlen haben. D.h. um auf das selbe Nettogehalt zu kommen wie verbeamtete Lehrer, benötigen die Lehrer:innen ein höheres Bruttogehalt. Außerdem müssen sie, um im Alter genauso abgesichert zu sein, privat noch etwas zur Seite packen, während verbeamtete Lehrer mit einer netten Pension rechnen können. Dass sich nicht jede Privatschule eine entsprechend höhere Gehaltszahlung leisten kann, steht für mich außer Frage. Zu vielen Schulen fühlen sich Lehrkräfte aber auch aufgrund des Konzeptes hingezogen.

5. … da haben Eltern bestimmt ganz hohe Ansprüche an ihre Kinder…

Teilweise richtig! Je nach Klientel der Schule sind auch die Eltern verschieden. Bei uns gibt es Eltern mit ganz unterschiedlicher Einstellung. Einige wollen, dass ihr Kind unbedingt Arzt wird, die nächsten nur, dass es gern zur Schule geht und wieder die nächsten haben weder Ansprüche noch Erwartungen. So ähnlich wird, je nach Einzugsgebiet, auch die Elternschaft an einer staatlichen im Schule aussehen.

6. An einer Privatschule sind die Klassen zwangsläufig kleiner

Falsch! Privatschulen müssen sehr etabliert sein und finanziell gut aufgestellt, um sich sehr kleine Klassen leisten zu können. Wie oben beschrieben, sind Privatschulen auf die Schülerzahlen angewiesen. Man kann es ja einmal hochrechnen, wobei ich hier hypothetische Zahlen nehme. Sagen wir, für eine:n Schüler:in erhält die Schule 500€ im Monat und der Klassenlehrer mit einer vollen Stelle verdient 4000 im Monat. Dann benötigen wir acht Schüler:innen, um diesen Lehrer zu bezahlen. Davon ist dann noch kein Geld in den Raum, die Heizung, den Strom, das Sekretariat, die Schulleitung, die Hausmeister, die Hauswirtschafterin, die Instandhaltung, die Reinigung, die Möbel, die in Teilen vergleichsweise bessere Ausstattung z.B. durch Smartboards, Lehrerzimmer, Fortbildungen, Renovierungen etc. geflossen. Hinzu kommt, dass der Klassenlehrer allein den Unterricht mit seiner Stelle in der Klasse nicht abdecken kann und somit rein rechnerich mindestens ein:e zweite:r Lehrer:in bezahlt werden muss. Nun steht die Schule bei 24 Schüler:innen vor der Wahl, entweder aus einer Klasse zwei kleine zu machen oder eben eine mit 24 Schüler:innen. Die Rechnung ist einfach…Die Klassengrößen sind in der Regel also nicht zwangsläufig deutlich kleiner als die an staatlichen Schulen.

7. Da man Schulgeld zahlt, bekommt man ein Rundumsorglospaket und das Kind die bestmögliche Bildung

Teilweise richtig! Jede Schule dieser Welt sollte dem Anspruch haben, ihren Schüler:innen die bestmögliche Ausbildung zu bieten!!!

Die Betreuung und Einbettung der Eltern ist je nach Schule und Umsetzungen an Privatschulen sicher teilweise eine bessere. Dass Schulgeld bezahlt wird, ändert aber nichts daran, dass mal ein Kind haut. Es ändert nichts daran, dass das Essen mal nicht schmeckt. Es ändert auch nichts daran, dass das Kind mal eine Klassenarbeit versemmelt, wenn es nicht geübt hat. Auch sind die Eltern trotz Ganztagsschule nicht davon befreit, sich auch aktiv mit dem Schulalltag der Kinder auseinanderzusetzen und gegebenenfalls mit dem Kind zu üben, wenn nötig. Und nein: Auch wir können beim Eintritt in die Vorschule nicht versprechen, dass Ihr Kind einmal das Abitur macht.

Im Allgemeinen kann man sich den Abschluss an einer Privatschule übrigens auch nicht “kaufen”. Die staatlichen Abschlüsse an Privatschule unterliegen den gleichen Anforderungen wie die Abschlüsse an staatlichen Schulen, einfach, weil es der gleiche Abschluss ist.

Eine weitere wichtige Ergänzung dazu: Viele denken, dass das Schulgeld etwas ist, was Privatschulen „on top” bekommen, dass die Schule damit also mehr Geld zur Verfügung hat als eine staatliche Schule. Auch als Privatschule bekommt man den Hauptanteil des Budgets von Staat, im Vergleich zur staatlichen Schulen jedoch nur 85% in Hamburg. Die fehlenden 15 % sollen durch das Schulgeld ausgeglichen werden, tun es aber nicht, da das Schulgeld vom Schulministerium für ein Bundesland pauschal festgelegt wird und nichts mit den tatsächlichen Kosten der Schule zu tun hat. Privatschulen sind also gegenüber staatlichen Schulen in Deutschland finanziell schlechter gestellt. In den USA oder England können die Schulen selbst entscheiden, wie hoch das Schulgeld liegt, im Einzelfall dann sogar 2000 bis 3000 € pro Monat. Deshalb sind Privatschulen in anderen Staaten mit denen in Deutschland aufgrund der sehr verschiedenen Ausgangsbedingungen kaum zu vergleichen.

8. Auf Privatschulen sammeln sich die “Reste-Kinder”

Falsch! Viele Eltern, die ihre Kinder in der Vorschule oder ersten Klasse in eine Privatschule einschulen, haben sich im Vorfeld sehr lange und intensiv mit der Schulauswahl beschäftigt. Die Entscheidung für eine Privatschule kann dann aus unterschiedlichen Gründen fallen: Das Schulkonzept, die Lenrgruppengröße, der Ruf der Schule, Auszeichnungen der Schule, sogar dieser Blog hier hat da wohl schon mal mit reingespielt (liebe Grüße an dieser Stelle- ich habe mich gefühlt wie ein Star, als ich davon erfuhr). Alles können mögliche Gründe für (aber natürlich auch gegen) eine bestimmte Schule sein. Tatsächlich ist es aber auch so, dass Eltern sich häufig nach alternativen Schulformen umschauen, wenn sie merken, dass das eigene Kind an der staatlichen Schule an seine Grenzen stößt. Hier sind in Anmeldegesprächen mit mir häufig genannte Gründe der häufige Unterrichtsausfall, Mobbing, zu geringe Forderung der Begabungen usw. Teilweise wechseln auch leistungsschwache Schüler:innen, weil die Eltern auf eine angemessenere Förderung hoffen. Und teilweise kommt es sicher in Ausnahmen auch zu Schul-Hopping, da die Eltern das Problem immer bei der jeweiligen Schule und auch nach der dritten Schule noch nicht beim Kind sehen. Es kommt selten vor, dass ein:e Schüler:in, die an einer anderen Schule sozial negativ aufgefallen ist, dann an einer Privatschule landet, die kein entsprechendes Konzept hat (falls das mit „Reste- Kindern” gemeint sein sollte…)

9. Abschlüsse von Privatschulen sind Türöffner um an tolle Studienplätze und Jobs zu kommen

Falsch! Natürlich gibt es durchaus Schulen, die sich regional einen Namen gemacht haben und wo Arbeitgeber:innen ein anerkennendes Kopfnicken herausschlüpfen wird. Allerdings sind wir hier nicht in den USA oder Großbritannien, wo Oxford mit Cambridge oder Harvard mit Yale konkurrieren. Vielmehr spielt der NC bei der Vergabe der Studienplätze eine Rolle als die Schule, wo das Abitur erlangt wurde. Dennoch: die Softskills, die die jeweile (Privat)Schule dem oder der Schüler:in vermittelt, unterscheiden sich schon. Wenn ein:e Absolvent:in als zweite Fremdsprache Chinesisch vorzuweisen hat, dann unterscheidet ihn oder sie das von den Tausenden, die Spanisch gewählt haben.

9. An Privatschulen gibt es viele coole Projekte

Richtig, aber… zum Glück haben sich Schulen in den letzten Jahren insgesamt weiterentwickelt. Es gibt Schulgärten, Projektwochen, Klassenräte und Tabletklassen an vielen staatlichen und auch privaten Schulen. Allerdings hat jede Privatschule in der Regel ein Alleinstellungsmerkmal, welches sie von anderen Schulen unterscheidet. In den kirchlichen Schulen ist es, na, du kommst gleich drauf, die Verbindung zur Kirche und die Einbindung der Religion in den Schulalltag. An einer Waldorfschule ist es die Ausrichtung auf die kindliche Freiheit, an der Montessorischule gibt es wiederum einen etwas anderen Schwerpunkt und so weiter. Je nach Schwerpunkt der Schule, werden sich also die Projekte der Schulen untereinander unterscheiden. Die meisten Schulen orientieren sich aber dennoch an einem Curriculum, teilweise auch am Lehrplan des jeweiligen Bundeslandes (womit wir wieder bei der staatlichen Anerkennung wären). Lesen, Schreiben, Rechnen sind somit die fachlichen Kernziele aller Schulen.

10. Privatschüler mobben, weil sie sich für etwas Besseres halten

Falsch! Ja, an Privatschulen kann es genau zu Konflikten, körperlichen Auseinandersetzungen und auch zu Mobbing kommen. Die Gründe dafür sind vielschichtig und sollen nicht Gegenstand dieses Beitrages sein. Aufgrund des häufig familiäreren Umgangs miteinander, fallen Anzeichen von Mobbing und dessen Strukturen an Privatschulen häufig schneller auf (auch das ist wieder nur meine Erfahrung). Wenn es zu Mobbing kommt, sind die Gründe unabhängig von der Schule häufig ein Über- oder Unterlegenheitsgefühl, welches dann durch Aggression kompensiert wird. Dies ist kein Privatschulphänomen. Im Gegensatz zu staatlichen Schulen haben Privatschulen, was Mobbing angeht, aber einen großen Vorteil: sie können häufig unbürokratischer agieren, zum Beispiel wenn es um Ordnungsmaßnahmen oder Schulwechsel geht.

Ihr seht also: Manche Vorurteile sind, zumindest teilweise richtig und ich habe wie gesagt nur aus meinen eigenen Erfahrungen gesprochen und natürliche ist die Bandbreite an Privatschulen riesig und auch die Verbreitung und gesellschaftliche Anerkennung in Deutschland je nach Region unterschiedlich. Daher mag nicht alles, was ich hier beschrieben habe auf jede Privatschule übertragbar sein. Sicher wird mir, wenn ich gleich auf dem Sofa lümmle und mir am letzten Ferientag ein Gläschen Weißwein gönne, wie immer ganz viel einfallen, was ich jetzt alles nicht aufgeschrieben habe.

Bei einem Absatz hat mir Axel Beyer geholfen.

Frontalunterricht 2.0

… warum er vielleicht doch besser ist als sein Ruf

Quelle: Pexels (Max Fischer)

Spätestens als ich mein Studium begonnen habe, habe ich gehört und verinnerlicht, wie wichtig das selbständige Lernen, Projekt- und Stationenarbeit und schülerzentrierter Unterricht ist. Obwohl der Frontalunterricht kein Gegensatz dazu ist, wurde er häufig so verwendet und gleichzeitig verteufelt. Es sollte keine frontale Phasen geben, der Sprechanteil des Lehrers auf ein Minimum reduziert und den Schüler:innen nicht alles vorgekaut werden. Diese, mittlerweile würde ich sie so nennen, Glaubenssätze habe ich verinnerlicht, in Hospitationen bei anderen darauf geachtet und mich auch selbst ein Stück weit daran gemessen. Irgendwie.

Denn offenbar war mir intuitiv schon immer klar, dass die Rechnung nicht ganz aufgehen kann. Grundschüler:innen benötigen Anleitung, Erklärungen und Beispiele. Man kann nicht von ihnen erwarten, dass sie sich jede Aufgabenstellung allein erschließen, auch wenn es Schulen gibt, die so arbeiten und Eltern, die sich das für ihre Kinder wünschen (häufig, weil es an diesen Schulen vermeintlich weniger Druck gibt, aber das ist ein anderes Thema). Und so habe ich schon immer meinen „Frontalunterricht light” genossen, nämlich das gemeinsame (Er)Arbeiten von Problem- und Aufgabenstellungen im Sitzktreis.

Mittlerweile gibt es verschiedene Studien, aus denen hervorgeht, dass Kinder besser lernen, wenn sie strenger geführt werden – also weg vom jahrelang beschrieenen “Lernen durch sebstsändiges Probieren und Entdecken wann und wo sie wollen”, hin zu Klarheit und Struktur. In einer groß angelegten Studie von John Hattie wurde das z.B. festgestellt. Außerdem stellte er fest, dass offener Unterricht und Freiarbeit keinerlei Effekte auf den Lernerfolg des Kindes haben, weder positiv noch nagtiv. Deutliche Effekte hingegen haben klare Strukturen, echte Lernzeit, Klarheit der Lehrperson und die Lehrer-Schüler-Beziehung (die meiner Meinungnach für Unterricht egal welcher Art, das A und O ist). Eine Münchener Studie fand zudem heraus, dass die Steigerung des Frontalunterrichts um 10% zu einem Wissensvorsprung von bis zu zwei Schulmonaten führt.

Meiner Meinung nach sind Studien dazu aber nicht mehr nötig, da so ziemlich jede Schule dank Corona mittlerweile selbst herausgefunden haben sollte: Selbsständiges Lernen, bei dem die Kinder für das Homeschooling nur Lernpakete erhalten haben, funktioniert langfristig und vor allem breitflächig nicht. Ich lehne mich soweit aus dem Fenster zu behaupten, dass die Lernrückstände besonders in den Klassen auftreten, in denen die Lehrkräfte längerfristig so gearbeitet haben. Diese Schüler:innen waren sehr auf die Hife der Eltern angewiesen oder wurden abgehängt. Ein Stück weit besser hatten es die Kinder, deren Lehrer:innen Erklärvideos aufgenommen haben. Hier hat dann nur die unmittelbare Rückmeldung an das Kind gefehlt. Am besten war der Unterricht sicher für diejenigen, die online nach Stundenplan unterrichtet wurden. Und genau in dieser Phase, im zweiten Lockdown, habe ich den Frontalunterricht zu lieben gelernt. Weil mir wichtig war, dass die Kinder geschlossen zur Schule kommen können wenn sie und die Eltern das wollen, haben wir meine Klasse auf zwei Räume aufgeteilt – aus dem Klassenraum wurde der Unterricht dann in den Nachbarraum und zu den paar Kindern nach Hause gestreamt. Hier habe ich, aus der Not eine Tugend machend, jede Stunde frontal begonnen und auch beendet. So haben alle Schüler:innen die notwendigen Erklärungen erhalten und alle hatten die Möglichkeit, die Arbeitsergebnisse zu vergleichen und Fragen zu stellen – das war besonders für die Kinder zu Hause wichtig.

Welche Vorteile bietet der Frontalunterricht für die Lehrperson aber noch und auch außerhhalb einer Pandemie? Vorausgesetzt, es herrscht ein gesundes und respektvolles Arbeitsklima, in dem die SchülerInnen keine Angst vor Fehlern haben, kann schon zu Stundenbeginn festgestellt werden, welche Kinder die Aufgaben verstanden haben und welche nicht. Spätestens aber in den Phasen, in denen verglichen wird, erkennt man wie oft Haken gemacht und wie oft radiert wird. (Mit dieser Methode spart sich der Lehrer auch das ständige Einsammeln der Heften.) Fragende Augen, ausbleibende Meldungen…ein Hinweis, dass ein Thema bzw. die Aufgabe noch nicht verstanden wurde. Erklärt der Lehrer die Aufgaben nicht, arbeiten Kinder mitunter -und auch das habe ich erlebt – einfach schon los und manchmal dann ganze Aufgabenformate falsch; ganz einfach, weil es zu spät auffällt. Gezielte Lehrerfragen können das verhindern.

“Lehrerfragen dienen dazu, den Unterricht zu strukturieren und zu steuern, die Aufmerksamkeit der Lernenden auf relevante Aspekte des Unterrichts zu lenken, das Vorwissen zu aktivieren, die Lernenden anzuregen und herauszufordern, Lernwege, (Miss-)Konzepte und (Fehl-)Vorstellungen offenzulegen, den Wissens- stand der Lernenden zu ermitteln, Unterrichtsergebnisse zu sichern oder manch-
mal auch dazu, die Lernenden zu disziplinieren.”
(Lipowsky 2015, S. 80)

Was häufig als Gegenargument angeführt wird, ist die fehlende Individualisierung, Das sehe ich nicht. Nur, weil in dieser Phase alle dasselbe hören, heißt es nicht, dass auch alle dasselbe machen. Ein Beispiel: Ich erkläre das Stellenwertsystem zur Wiederholung. Am Smartboard ist eine Stellenwerttafel eingezeichnet, links daneben stehen Zahlen im Zahlenraum bis 10.000 und rechts daneben gibt es viele rote Punkte, die entsprechend in die Tabelle reingezogen werden sollen. Meine erste Aufforderung lautet hier: “Lies bitte die obere Zahl vor!” Nun werden sich die Kinder melden, die die Zahl lesen können und möchten. Die nächste Frage ist: “Wie viele Einer hat die Zahl?” Nun melden sich möglicherweise andere Kinder. Ein paar Kinder melden sich vielleicht auch erst, wenn wir die dritte Zahl besprechen. Andere möglicherweise gar nicht. Für die könnte man z.B. auch kurze “Murmelphasen” einbauen. Die Aufgaben für die Arbeitsphase selbst können dann auch wieder differenziert sein.

Auch Hilber und Meinert Meyer, die vielleicht bekanntesten deutschen Erziehungswissenschaftler der letzten Jahrzehnte, haben schon Ende der 90er angemerkt, dass der verrufene Frontalunterricht durchaus seine Vorteile hat, wenn man ihn zielführend einsetzt. Nicht die Methodenwahl allein sei ausschlaggebend für die Motivation der Klasse. Sich stundenlange Lehrervorträge anzuhören funktioniert nur dann, wenn der Lehrer ein guter Vortragender ist. Geschichten zuhören können die meisten Kinder erstaunlich gut. Aber auch das gelenkte Unterrichtsgespräch ist eine Form des Frontalunterrichts und in der Grundschule vielleicht die verbreitetste. Es dient dazu zu ermahnen, zu loben, zu kontrollorieren, zu verbessern und zu disziplinieren.

Seitdem ich häufiger frontal unterrichte, erkenne ich eine deutliche Steigerung in der Motivation und dem Arbeitstempo. Wenn sich Schüler:innen Aufgabenformate selbst erschließen müssen, arbeiten sie deutlich langsamer, ich würde sagen: unsicherer. Besprechen wir die Aufgaben anhand von Beispielen vor, schaffen auch sonst schwächere Schüler:innen mehr Aufgaben. Und auch die Fehlerquote sinkt. Vielen tut es gut, die richtige Lösung vor der Klasse zu nennen und dafür ein Lob zu bekommen. Besonders denen, die sonst im Unterricht untergehen, weil man zwar viel damit beschäftigt ist, die unruhigeren Kinder zu ermahnen, aber zu wenig Zeit hat, den unauffälligen Schüler:innen mal über die Schulter zu schauen.

Natürlich glaube ich nicht, dass allein der Frontalunterricht ein Kind zu einem erfolgreichen Schüler macht. Aber er schult wichtige Kernkompetenzen. Allem voran das Zuhören. Im Schulleben und in der Schule geht es aber nicht nur ums Zuhören, sondern auch ums Erklären, Verstehen, Üben, Anwenden, Merken, um das Soziale Miteinander, ums Präsentieren und so vieles mehr. Und deshalb beinhaltet guter Unterricht unbedingt verschiedene Sozialformen und Methoden. Daher plädiere ich für einen integrativen Unterricht, der den Frontalunterricht -gern in jeder einzelnen Stunde – einbezieht, aber genau so Einzel-, Partner- und Gruppenarbeit ermöglicht. Natürlich bi auch ich der festen Überzeugung, dass der Zeitpunkt kommen muss, an dem die Schüler:innen sich dann Aufgabenstellungen selbständig erschließen müssen. Aber auch hier sollte man, auch im Sinne des sprachsensiben Unterrichts, Brücken und Gerüste bauen, die das Verstehen erleichtern.